150 Jahre TSV Dachau 1865:Party dahoam

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Ohne neues Stadion, neues Vereinsheim und neue Turnhalle: Der verschobene Umzug kann die Vorfreude nicht trüben. Der TSV Dachau 1865 feiert 150. Jubiläum, vier Tage lang.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Richard Reisböck hätte die große Party ganz sicher woanders veranstaltet. Doch weiß auch der langjährige Vorsitzende des TSV Dachau 1865, dass das Leben kein Wunschkonzert ist, und Kommunalpolitik erst recht nicht. Anstatt in einem nagelneuen Sportpark, wie ihn sich Reisböck seit Jahren erträumt, muss der TSV seinen 150. Geburtstag also auf dem angestammten Gelände an der Jahnstraße feiern. Ohne neues Stadion, ohne neues Vereinsheim, ohne neue Turnhalle. Die Vorfreude auf das große, viertägige Jubiläum, das an diesem Donnerstag beginnt, kann der verschobene Umzug freilich nicht nehmen. Dafür sind Reisböck und die zahlreichen Vereinsmitglieder schlichtweg zu stolz auf das, was der Verein in 150 Jahren geleistet hat.

Immerhin hat der TSV 1865, heimisch an der Jahnstraße, vier Kriege überdauert, der Verein ist älter als Dachaus berühmter Schriftsteller Ludwig Thoma (1867-1921). Der TSV ist der zweitgrößte Sportverein der Großen Kreisstadt. Er zählt 2200 Mitglieder, darunter 998 Jugendliche. Vom japanischen Kampfsport Aikido über Fußball bis hin zum klassischen Turnen deckt der TSV 13 Sportarten ab. In seiner 150-jährigen Geschichte hat der Verein bayerische, deutsche, Welt- und Europameister hervorgebracht. Seine Handballerinnen spielten in den Achtzigern in der Zweiten Bundesliga. Die erste Fußballmannschaft hat 2014 den Aufstieg in die Bayernliga geschafft und spielt höher als je zuvor. Die Basketballer, die Dachau Spurs, halten sich seit 18 Jahren in der Regionalliga. Die Taekwondo-Abteilung zählt deutschlandweit wie international zu den besten, sie hat Welt-, Europameisterschaften und eine Olympische Medaille gewonnen. Seit Kurzem, darauf verweist der Verein stolz, führt er eine Kindersportschule (KISS), in der die Kleinen, unabhängig von der Sportart, eine Bewegungsausbildung bekommen. Und auch nicht ganz unwichtig: "Wir sind finanziell gut aufgestellt und meines Wissens der einzige Verein im Landkreis, der noch auf eigenem Grund tätig ist", betont der 33-jährige Sebastian Stirner, der seit 2014 den Verein führt.

30 Jahre vor dem Aufstieg wurde zum ersten Mal auf den neuen Außensportanlagen gesprintet. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Und dennoch ist da dieses eine entscheidende Problem, das seit mehr als einem Jahrzehnt wie ein Damoklesschwert über dem Verein schwebt: Das Gelände in Augustenfeld, das beklagen die Vereinsfunktionäre, sei zu klein, zu altmodisch für die wachsenden Ansprüche des Klubs und seiner Mitglieder. Seit nunmehr 15 Jahren wollen sie deshalb das eigene Gelände an einen Investor verkaufen und ein neues bauen. Dieses soll, kurz gesagt, eine bessere Infrastruktur vorweisen: ein neues Stadion, eine moderne Turnhalle, ein schöneres Vereinsheim, bessere Parkmöglichkeiten. Eignen würde sich dazu nach Vorstellung der Vereinsführung ein Areal östlich der Theodor-Heuss-Straße. Doch sind bis heute alle Verhandlungen gescheitert: an Missverständnissen, Formalien, bürokratischen Hürden, am Widerstand der Bürger. Abgesehen von vagen Versprechungen des Dachauer Oberbürgermeisters Florian Hartmann (SPD) herrscht im Moment wieder einmal Stillstand in der Angelegenheit. Was einzig wächst, sind Ungeduld und Unmut.

Doch sollte ein Blick in die eigene Historie dem Verein durchaus Hoffnung geben - auch was die Suche nach einem Domizil betrifft. Am 24. Mai 1865, als der Verein von 33 Dachauer Turnern gegründet wurde, war recht schnell eine Vereinsstätte gefunden: der Wirtsgarten der Schießstätte am Amperufer. Die Gründungsmitglieder waren allesamt Dachauer Handwerksmeister, so auch der Maler und erste Vorsitzende des Turnvereins Dachau, Alois Huber. Die politischen Rahmenbedingungen - das Königreich Bayern hatte 1866 an der Seite Österreichs den Deutschen Krieg gegen Preußen verloren - hemmten anfangs noch die Entwicklung des Vereins: Er zählte bis 1868 nur 40 Mitglieder. Schließlich aber kam die deutsche Reichsgründung aus dem Jahr 1871 dem Dachauer Turnsport zugute. Denn die Stadt Dachau wuchs - und damit auch der Verein. 1876 stellte der Dachauer Magistrat dem TSV einen 150 Quadratmeter großen Sommerturnplatz an der Floßlände zur Verfügung. Er sollte immerhin 35 Jahre lang die Heimstätte des Vereins bleiben. "Das turnerische und gesellige Leben gedieh dort positiv", heißt es in der Vereinschronik.

Die Knabenkapelle Dachau durfte bei der feierlichen Einweihung der neuen Außensportanlagen natürlich nicht fehlen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bei den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen im Jahr 1895 versammelte sich viel Prominenz auf dem Dachauer Schlossplatz, darunter der bereits erwähnte Ludwig Thoma, damals noch als Rechtsanwalt tätig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte der Verein 261 Mitglieder. 1912, als die Fußballbegeisterung von Großbritannien nach Deutschland überschwappte, gründete sich die selbstständige Fußballabteilung. Brauereimeister Eduard Ziegler stellte ihr sein Privatgelände auf der Thomawiese bereit. Für den Fußballsport in Dachau bedeutete dies den Durchbruch.

Nach den schwierigen Jahren des 1. Weltkriegs wurde das sportliche Angebot schnell vielfältiger. Als logische Konsequenz wurde der Verein am 15. März 1919 auf Bitten der Fußballer in "Turn- und Sportverein" umbenannt. Noch im selben Jahr gründeten sich die "Damen-Abteilung" und die "Leichtathletik-Abteilung". Was bei allem Fortschritt Sorgen bereitete, war der Platzmangel. Schließlich erwarb der Verein vom Reichsschatzministerium ein Areal in Augustenfeld, dem heutigen Sportgelände des TSV. Das Ehrenmitglied Ludwig Böswirth, nach dem das Vereinsgelände später benannt wurde, hatte den Kauf mit einer beachtlichen Barzahlung ermöglicht. Am 23. Juli 1923 wurde das neue Zuhause feierlich eingeweiht. Der TSV, der mittlerweile 400 Mitglieder zählte, hatte endlich eine würdige Heimstätte gefunden.

Der Jubel war grenzenlos, als die Fußballer des TSV 1865 Dachau im Jahr 2014 erstmals in der Vereinsgeschichte in die Bayernliga aufstiegen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In den Folgejahren wuchs der Verein weiter: Es kamen Sportarten wie Ringen, Boxen, Gewichtheben und Schwimmen hinzu. 1932 gründete sich die Handballabteilung und eine Aschenrundbahn wurde eingeweiht. Der einstige Turnverein Dachau war längst zu einem Breitensportverein geworden, in dem Frauen sich emanzipierten. Mit Beginn des dritten Reichs wurde der Sport gleichgeschaltet und sämtliche Vereine in die NS-Sportbehörde integriert. "Der TSV mit seinem Vorstand widersetzte sich allen Zwängen von oben so gut es ging", beteuert der Verein in seiner Chronik. "Die Mitglieder konnten ihrem Sport wie gewohnt nachgehen."

Erst im Laufe des Jahres 1939 brachte der Zweite Weltkrieg das Vereinsleben zum Stillstand. Am Ende des Krieges beklagte der TSV 70 gefallene und 20 vermisste Mitglieder.

Doch auch vom bereits vierten Krieg in seiner Geschichte erholte sich der Verein und wuchs weiter. Nach drei Jahren langer Aufbauarbeit wurde am 9. Mai 1959 die Jahnhalle eröffnet. Von Frühjahr 1966 an prägte der Vereinsvorsitzende Rudolf Märkl eine Ära beim TSV. Es kamen Volleyballer und Basketballer hinzu. Im Juli 1984 wurden die neuen Außenanlagen samt Tartanbahn eingeweiht. Sechs Jahre später verwies der Verein stolz auf eine Mitgliederzahl von 2200.

Die jüngere Vereinsgeschichte gestaltete seit 1992 als Vorsitzender Richard Reisböck. Ihm ist es gelungen, den Pleite gegangenen SSV Dachau-Ost mit seiner Tennis-, Teakwondo-, und Turnabteilung erfolgreich zu integrieren. Stolz sagt Reisböck: "Ich habe den TSV 1865 saniert." Dennoch bleibt das Damoklesschwert des verschobenen Umzugs. Die eigene Historie aber sollte Mut machen, dass die '65er auch dieses Problem in den Griff bekommen.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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