Dachau:Papi zahlt

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Frau plündert Konto ihres dementen Vaters - und muss in Haft

Von Benjamin Emonts, Dachau

Was bewegt einen Menschen dazu, seine eigenen Eltern zu betrügen? "Mir wuchs alles über den Kopf. Mir ging's nicht so gut - auch nervlich", sagt Theresa L. (Name geändert). Was sie gemacht hat, tue ihr "unglaublich leid", beteuert die 48-jährige Frau. Doch rückgängig machen lassen sich die 93 Straftaten nicht, die sie im Jahr 2013 begangen hat.

Nun, fast zwei Jahre später, sitzt Theresa L. auf der Anklagebank des Amtsgerichts Dachau und weint. Einer ihrer zwei Verteidiger versucht in seinem Plädoyer alles, um noch eine Bewährungsstrafe für seine Mandantin herauszuholen. 20 Minuten später spricht das Schöffengericht Dachau sein Urteil: Theresa L. muss eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten antreten. Ab zwei Jahren Haft gibt es keine Bewährung mehr. Sie wird verurteilt wegen Untreue in 93 Fällen.

Was ist passiert? Der Vater von Theresa L. ist schwer krank, er leidet unter Parkinson und Demenz. Theresa L. und ihre Stiefmutter betreuen den Schwerkranken, vom Dachauer Betreuungsgericht sind sie dazu von Amts wegen bestellt worden. Ende November 2012 stirbt die Stiefmutter, Theresa L. ist ab diesem Zeitpunkt die alleinige Vertretungsberechtigte ihres Vaters. Die 48-Jährige nutzt ihre Stellung aus, um mit der EC-Karte des Vaters insgesamt 93 Zahlungen zu tätigen. Über viele Monate bestreitet sie mit dem Geld und der Rente ihres Vaters, mit dem eigentlich die Kosten für das Altenheim gezahlt werden sollten, ihren Lebensunterhalt, zahlt ihre Kfz-Steuer, Telefon- und Tankstellenrechnungen, Anziehsachen, Kosmetikartikel. Hinzu kommen noch etliche Barabhebungen am Bankschalter. Einem Dachauer Anwalt, der vom Gericht als Vermögensbetreuer für den schwerkranken Vater eingesetzt wurde, fallen die seltsamen Abhebungen und Zahlungen beim Kontrollieren der Kontoauszüge auf. Er meldet die Unregelmäßigkeiten dem Amtsgericht Dachau und erstattet Strafanzeige bei der Polizei.

Schon in der Vergangenheit ist Theresa L. mehrfach durch kleinere Betrügereien strafrechtlich auffällig geworden. Im Jahr 2007 ist sie wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Weil sie gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat, saß sie einen Teil der Strafe ab. Der Strafrest wurde ausgesetzt, die Bewährung verlängert. Als sich Theresa L. nun das Geld ihres Vaters zu eigen machte, handelte sie unter offener Bewährung. Das wird ihr nun zum Verhängnis.

"Weder der Hafteindruck noch die offene Bewährungsstrafe konnte Sie daran hindern, 93 weitere Straftaten zu begehen. Sie haben einfach munter weitergemacht", wirft ihr Amtsrichter Christian Calame vor. Das "gute Vertrauensverhältnis", das Theresa L. nach eigener Auskunft zu ihrem inzwischen verstorbenen Vater pflegte, zweifelt der Richter an. "Sie wussten nicht einmal, wann ihr Vater gestorben ist."

Den Haftbefehl, der am 9. Juni über Theresa L. verhängt wurde, hebt der Richter zunächst auf. Schon bald aber wird die 48-Jährige die Haftstrafe antreten müssen. Ihr Pflichtverteidiger sagt: "Sie hat gerade begonnen, ihr Leben in den Griff zu bekommen."

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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