Dachau:Ohne Donner

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Mirijam Contzen auf der Geige und Tobias Bredohl harmonierten außergewöhnlich gut miteinander. (Foto: Toni Heigl)

Dachauer Schlosskonzerte mit beglückendem Auftakt

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Das war eine Eröffnung eines neuen Jahres der Dachauer Schlosskonzerte, wie man sie sich nur wünschen kann. Gespielt wurden Werke für Violine und Klavier, aber das Wort "für" möchte man an einem solch beglückenden Abend für das Publikum reservieren; denn die Zuhörer waren die Beschenkten.

Das Programm erschien zunächst eher interessant als begeisternd: Johannes Brahms, die "Regenlied"-Sonate - schön; dann Paul Hindemith mit gleich zwei Sonaten - warten wir's ab, Hindemith hat viel geschrieben und recht verschiedene Phasen des Komponierens gehabt; zuletzt Maurice Ravel mit seiner Violinsonate von 1927 - die ist gewiss recht farbig und jedenfalls reizvoll. So etwa mögen sich in Kammermusik erfahrene Besucher der Dachauer Schlosskonzerte auf das Konzert von Mirijam Contzen, Violine, und Tobias Bredohl am Klavier eingestimmt haben. Mirjiam Contzen ist ja längst als eine der führenden Geigerinnen der jüngeren Generation bekannt und bewundert, von Tobias Bredohl am Klavier muss man sich überraschen lassen und hoffen, dass er aus der Reihe der "donnernden" Pianisten, die wir in Dachau seit Jahren auch bei Kammermusik hatten, ausschert.

Die Überraschung war groß und geradezu begeisternd. Da sitzt ein großer, kräftiger Mann vor dem eigentlich zu großen, weit geöffneten Flügel auf dem Podium im Festsaal des Schlosses und musiziert außergewöhnlich differenziert als echter Partner musikalisch und auch akustisch auf Augenhöhe mit seiner Partnerin und deren Geige. Also kein Donnern am Klavier, gegen das sich die Geige mit forciertem Ton stemmen muss, sondern echtes gemeinsames Musizieren. Bereits die ersten Takte der G-Dur-Sonate op. 78 von Brahms, der sogenannten "Regenbogen"-Sonate, ließen aufhorchen. So zart darf hier die Geige spielen und so fein erklingt das Klavier dazu. Bredohl ist aber nicht nur Begleiter, er ist musikalischer Partner, der bei den Sonaten für Violine und Klavier seinen Part voll einbringt und, wo nötig, seine differenzierte Dynamik auch zum Fortissimo steigert. Die Brahms-Sonate geriet im ausgeglichenen Musizieren von Contzen und Bredohl zur reinen Freude der Zuhörer. Das Spiel auf der Geige war an Tonschönheit und musikalischer Gestaltung hervorragend.

Maurice Ravel hat in seiner autobiografischen Skizze erklärt, dass "Violine und Klavier eigentlich miteinander unvereinbar seien und diese Sonate den Nachweis dafür erbringe". Wirklich überzeugend ist ihm dieser Nachweis nicht gelungen; zumindest Contzen und Bredohl musizieren so, dass Violine und Klavier musikalisch und auch klanglich absolut harmonierten, wobei aber beide ihre voneinander stellenweise recht unabhängigen Stimmen selbstbewusst spielten und interpretierten.

In der Mitte des Programms aber die Überraschung schlechthin, die beiden kurzen Sonaten für Geige und Klavier von Paul Hindemith. (Hindemith schreibt "Geige", nicht "Violine".) Hat das irgendjemand - außer ausgewiesenen Kennern natürlich - dem Hindemith zugetraut, dass er so schöne und trotz aller tonalen Freiheiten letztlich harmonische Musik geschrieben hat? Vielleicht ist die Frage anders richtiger gestellt: Hat man voraussehen können, wie sich unsere Hörgewohnheiten so geändert haben, dass wir in diesen Werken von 1920 und 1935 Sonaten klassischer Themenbildung und Komposition erkennen? Es ist anzunehmen, dass die perfekte Wiedergabe der zweisätzigen Sonaten in Es von 1920 und E von 1935 das überraschende Hörerlebnis und die begeisterte Zustimmung zu dieser Musik wesentlich mitverursacht haben.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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