Dachau:Nur das Talent zählt

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Music4all wirbt für die Idee einer Kultur mit sozialem Anspruch

Von Jean-Marie Magro, Dachau

Stefan Potrykus deutet mit dem Zeigefinger auf einen Mann im dunklen Mantel mit ausgeflippter Frisur. Der eine ist Vorstandsmitglied des Dachauer Vereins Music4all, der junge Leute zur Musik hinführt, die aus welchen Gründen auch immer keine Chance auf regelmäßigen Unterricht haben. Der andere ist Rockmusiker Juergen Reiter, der zuletzt zwei Nachwuchsbands unterrichtet hat, die sich dem Dachauer Projekt sozialer Kultur angeschlossen haben. Und die spielen gerade in der Kulturschranne mächtig auf.

"Es ist Wahnsinn, was wir in diesen vier Wochen alles gelernt haben", sagt der Leadsänger der Crazy Country Jester, Louis Ulitzka. "Davor waren wir fünf wilde Musiker. Der Juergen Reiter hat es geschafft, aus uns eine Einheit zu bilden", erzählt der schon über 50-jährige Countrysänger mit den glänzenden Augen eines Kindes. Das Wort Nachwuchsbands bezieht sich also nicht nur auf das Alter. Während Robert am Akkordeon jauchzt, entführt Louis Ulitzka mit seiner sanften Stimme die Zuhörer in eine Wilder-Westen-Atmosphäre. Der Schottenrock von Bassist Tchuro passt wegen der Nähe der Countrymusik zu irischem und schottischen Folk.

Der Verein, der im vergangenen Jahr gegründet wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, das Musizieren für jeden zugänglich zu machen. Egal, ob Kinder, Jugendliche und Erwachsene, egal ob mit Behinderung oder Migrationshintergrund. Dafür bietet der Verein Kurse und Workshops gemeinsam mit Wohlfahrtsorganisationen an. Finanziert wird das alles durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.

"Ich bin stolz auf das, was wir bereits geschafft haben. Schau dir mal die Kinder an." Stefan Potrykus zeigt auf ein Bild, dass im Eingang der Kulturschranne aushängt: "Wenn du diese lachenden Gesichter siehst, weil sie lernen, wie man trommelt, dann bin ich schon sehr zufrieden." Der 48-Jährige steckt voller Energie. Obwohl gerade die zweite Nachwuchsband Chasin' Friday lauten Deutsch-Indie-Rock spielt, ist nahezu jedes seiner Worte im Gespräch zu verstehen.

Vier Sonntage in Folge hatten zwei Bands die Chance, mit dem Rockmusiker Juergen Reiter zusammenzuarbeiten. Dafür gab es eine Ausschreibung im Internet. Chasin' Friday ist begeistert: "Das Coaching hat uns vor allem gezeigt, wie man sich auf der Bühne präsentieren muss. Wir gehen jetzt mit mehr Selbstbewusstsein an die Sache. Wir bewegen uns besser. Das Zusammenspiel ist ganz anders", sagt der 19-jährige Sänger Patrick Mündges.

Lob bekommen die jungen Wilden aus dem Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck von ganz hoher Stelle. "Also die gefallen mir schon sehr gut. Viele, die auf Deutsch singen, bekommen keine Melodie in ihre Songs. Das ist bei denen anders", sagt der gebürtige Dachauer Phil Vetter. Er ist der Star des Abends. Ob er sich auch vorstellen könnte, selbst einmal zu coachen? "Dann könnte ich vier Sonntage lang gscheidhaferln. Das wäre schon cool."

Sein Lied über den Jakobsweg passt zum Verein Music4all. Es ist ein langer Weg, den sich der Verein vorgenommen hat. Nächstes Jahr soll es zusammen mit der Volkshochschule und dem Arbeitskreis Asyl einen Workshop für Asylbewerber geben. "Auch das Bandcoaching mit Juergen Reiter wollen wir unbedingt beibehalten", sagt Potrykus. Der viel gelobte Reiter gibt sich schweigend und lässt die Bands für sich reden, also spielen.

Mit seinem Ensemble Dr. Will &The Wizards ist Juergen Reiter am Samstag, 22. November, 20 Uhr, im Anton's in München zu hören.

© SZ vom 19.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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