Dachau:Muskelspielchen unter Machos

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Ein Streit im Straßenverkehr eskaliert. Das Gericht verurteilt zwei Brüder zu Geldstrafen.

Von Daniela Gorgs, Dachau

Männer, die sich als sehr männlich empfinden, zeigen im Straßenverkehr ein sehr aggressives Verhalten, mit dem sie sich und andere gefährden können. Das stellte vor fünf Jahren ein kanadisches Forscherteam fest. Juristen, die im Strafrecht tätig sind, können dies bestätigen. Wenn Machos aufeinandertreffen, wird oft aus einer Verkehrswidrigkeit eine Straftat. Wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung müssen sich zwei junge Brüder, 22 und 26, vor dem Amtsgericht Dachau verantworten.

Der Anlass für den Vorfall Anfang Dezember vergangenen Jahres ist nichtig. Zwei Brüder fahren in ihrem Auto in die Dachauer Altstadt hoch. Hinter ihnen fährt ein 24-Jähriger so dicht auf, dass sie anhalten und den Nachfolgenden zur Rede stellen. Aus einem verbalen Muskelspiel zwischen den Beteiligten wird eine ordentliche Rangelei, die wiederum in eine Gewalttat mündet. Eine Anwohnerin beobachtet den Vorfall. Sie sagt dem Gericht: Es sei um Autos gegangen, schnelles Fahren. Die drei Personen hätten sich hin- und hergeschubst. Beide Seiten hätten offensichtlich einen Streit austragen wollen. Dieser endete mit Prellungen und einer Delle in der Autotür. Das Opfer: der 24-Jährige, der die Brüder offenbar mit zu dichtem Auffahren bedrängte. Dass auch der 24-Jährige nicht unschuldig an dem Vorfall war, wie der Vorsitzende Richter später sagen wird, ist den Prozessbeteiligten schnell ersichtlich. Mit verächtlichem Blick würdigt er die beiden Brüder auf der Anklagebank, bevor er sich auf dem Zeugenstuhl niederlässt und droht: Die Brüder sollten künftig einen großen Bogen um ihn machen. "Mit solchen Leuten möchte ich nichts zu tun haben." Die beiden Männer auf der Anklagebank nehmen es gelassen und entschuldigen sich bei ihrem Opfer mit Handschlag.

Laut Anklageschrift beleidigte der 22-jährige Fahrer an dem Dezemberabend den nachfolgenden 24-Jährigen zunächst völlig grundlos, bevor er ihn mit Schlägen gegen Arm und Schulter traktierte. Als das Opfer zurückschubste, mischte sich der 26-jährige Bruder ein, der bislang zu beschwichtigen versuchte. Er tritt den 24-Jährigen gegen das Bein, sein Bruder gegen das Auto. Die Situation eskaliert; das Opfer ruft die Polizei. Erst danach reagieren die beiden Brüder in den Augen des Gerichts vorbildlich. Noch bevor sie eine Anklageschrift erhalten, zahlen sie dem Opfer ein Schmerzensgeld für die erlittenen Prellungen, begleichen den Schaden an der Autotür und die Anwaltskosten. Ihre Entgleisung räumen sie vor Gericht ohne Zögern ein, was angerechnet wird.

Der Staatsanwalt spricht von einem minderschweren Fall. Seiner Ansicht nach hat sich das Opfer ehrlich darüber entrüstet, dass man ihm derart aggressiv begegnete. Doch hätte der 24-Jährige dem Streit aus dem Weg gehen können. Anzuhalten und das Fenster runterzukurbeln, sei bereits der erste Fehler gewesen. Der Staatsanwalt fordert eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 65 Euro für den jüngeren Bruder und 180 Tagessätze zu 55 Euro für den älteren. Die Verteidigerinnen der Brüder bitten um Milde. Und diese wird gewährt.

Richter Lukas Neubeck verurteilt den Jüngeren zu 150 Tagessätzen und den Älteren zu 90 Tagessätzen. Die Höhe setzt er für beide auf 40 Euro fest. Beide Angeklagte hätten sich jugendtypisch verhalten. Doch leider sitze man hier vor dem Erwachsenengericht. "Und da weht ein anderer Wind."

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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