Dachau:Mozart-Happening

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Jürgen Rothaug ist es gelungen, seine konzertante Opernaufführung im Stil einer Popveranstaltung zu inszenieren. Den ungewöhnlichen Ort einer MD-Halle hat er ausgewählt, um Sponsorengelder nicht für die Schlossmiete aufzubrauchen

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Aus heutiger Sicht hat Mozart die Qualitäten eines Popstars. Er tourte von einem Engagement zum anderen, liebte die Frauen, lebte exzessiv und schrieb sensationelle Musik, die auch noch nach Jahrhunderten verehrt wird. Allein schon aus dieser Warte ist es legitim, Mozart mit Popmusik in Verbindung zu bringen. Jürgen Rothaug, bekannt für seine Crossover-Projekte, verknüpft in seiner neuesten Produktion "Mozart meets Popart" nicht nur die unterschiedlichen Genres in der Musik, sondern bringt auch die verschiedenen Ausdrucksformen zusammen, vereint Jung und Alt und leistet einen Beitrag zur Inklusion. Mit Erfahrung und Geschick motiviert er die Mitwirkenden, über ihre eigenen Grenzen zu gehen und öffnet gleichzeitig den Blick für verborgene Talente.

In super Rokoko-Gewändern: das Ensemble Cantori gemeinsam mit dem Kinderchor und der Tanzgruppe Grundschule Dachau-Ost. (Foto: Toni Heigl)

Der Aufführungsort in einer Fabrikhalle auf dem MD-Gelände für eine Musikproduktion rund um die Zauberflöte an sich ist schon ungewöhnlich. Er habe es nicht übers Herz gebracht, die Förder- und Sponsorengelder für die Miete im Schlosssaal auszugeben, begründete Jürgen Rothaug die Wahl der Fabrikruine. Schon im vergangenen Jahr war sie erfolgreicher Veranstaltungsort für die Opernaufführung zum zehnjährigen Bestehen des Chores. Eine offene Bühne ohne Vorhang, Stühle auf Betonboden und als Kulisse wechselnde Beamer-Projektionen auf einer Leinwand an Metalltraversen: spartanischer geht es nicht. Aber der Ort passte zur grenzüberschreitenden Aufführung. Sie war von Anfang bis Ende eine fröhliche und humorvolle Gemeinschaftsproduktion mit Überraschungen. Das Ensemble Cantori mit seinen Solisten, das Dachau-Pop-Orchestra, der Kinderchor und die Tanzgruppe der Grundschule Dachau-Ost machten ihre Sache fantastisch. Kostüme stellten Heidi Fitzthum und Fanny Lehmeier aus dem Fundus des Kinderfestzuges und ASV-Theaters zur Verfügung. Das Catering übernahmen die Damen des Katholischen Frauenbundes. Für einige Mitwirkende war es auch eine Familienproduktion. Solist Michael Nauderer trat zusammen mit seinen vier Kindern Magdalena, Veronika, Johannes und Michi auf. Gabi und Nico Stegmann, Mutter und Sohn, standen ebenfalls als Solisten auf der Bühne.

Das Orchester unter der Leitung von Rothaug. (Foto: Toni Heigl)

Der erste Teil huldigte Mozart in einer frischen und modernen Weise. Die Zauberflöte dient dabei nur in Teilen als musikalische Vorlage und als Anlass für die Verwirrungen der Liebenden. Das Orchester spielte sehr gut. Allerliebst anzuschauen waren die Dritt- und Viertklässler der Grundschule Dachau-Ost in den bauschigen Rokokokostümen. Mit sichtlicher Freude sangen sie "Seht und hört" und tanzten ein reizendes Menuett, einstudiert von Karolina Poida, mit charmantem Handkuss, Verbeugung und Knicks. Die Kinder hätten sich auf jede Probe gefreut, berichtete Jürgen Rothaug. "Das ist nicht nur Disziplin, sondern Spannung und Freude", lobte er. Die Cantori sangen ebenfalls in schönster Harmonie und die Solisten erfreuten die zahlreichen Zuhörer mit Hingabe und Einfühlungsvermögen für den klassischen Stoff der Zauberflöte, der aufgelockert präsentiert wurde. Die drei Knaben Paul Beittel, Michael und Johannes Nauderer, bedrängt von drei kleinen Löwen, machten ihre Sache sehr gut. "Zu Hilfe" sangen sie aufgeregt und Countertenor Paul Beittel ahmte in lustiger Weise eine hohe Knabenstimme nach. Anna Sailer, Irmi Fröch und Gabi Stegmann als die drei Damen überzeugten ebenfalls mit Stimme und Ausdruck. Sie himmelten die Knaben in der Arie an: "Ich lass dich nie mehr gehen." Eine Bereicherung war Anna Sailer von der Musikhochschule München als Pamina. Sie sang sehr sicher und ausdrucksvoll. Nico Stegmann, ebenfalls von der Musikhochschule, sang als Papageno ebenfalls ein wunderbares Solo und - nachdem er die verliebte Pamina hatte abblitzen lassen - ein reizendes Duett mit Magdalena Nauderer als seiner Papagena. Das "Naschlied", von Mozart allen süßen Mädchen gewidmet, wurde von Jürgen Rothaug für den Kinderchor umgeschrieben und diente jetzt als Hymne für die unwiderstehlichen Mozartkugeln, die von Bäckermeister Peter Denk im Chor und Publikum verteilt wurden.

Dirigent, Regisseur, Organisator und Manager in Personalunion: Jürgen Rothaug. (Foto: Toni Heigl)

Im zweiten Teil spielte Mozart eine untergeordnete Rolle. Schlager und Pop hatten die Oberhand. Der Dachauer Philipp Donath sang ein charismatisches "Love is all" von Deep Purple und mit dem Chor Pharrell Williams Superhit "Happy". Dann traten die Cantori in Zylinder und weißem Schal allein oder gemeinsam mit dem Kinderchor als Popchor und Barberhop-Ensembleauf. "So schön wie heut", "Ein guter Freund" und "Wochenend' und Sonnenschein" rissen das Publikum mit. Der heimliche Star aber war Marvin Douglas aus dem Franziskuswerk Schönbrunn. Der 22-Jährige gab eine begeisternde Hip-Hop-Vorstellung und brachte in zwei Einlagen mit seinen Bewegungen die Leidenschaft der Musik zum Ausdruck. Er erhielt begeisterten Applaus. Dann nahm die Aufführung mit Pianistin Nora Schmidt die Kurve zurück zu Mozart. Die Musikstudentin spielte eine leichtläufige Sonate von Mozart, deren feine Stimmung vom Chor in einer Chorfantasie von Ludwig van Beethoven, einem Zeitgenossen Mozarts, zum Abschluss aufgegriffen wurde.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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