Dachau:Mittendrin

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Die KVD-Galerie ist zurzeit ein Farbengarten. (Foto: Niels P. Jøergensen)

Die Galerie der Künstlervereinigung wird zu einem einzigen situativen Farbfeld

Von Bärbel Schäfer, Dachau

In seiner Farblehre entdeckte Johann Wolfgang von Goethe, dass Farben sich sowohl gegenseitig als auch ihre Umgebung beeinflussen. Von Leonardo da Vinci im 16. Jahrhundert bis zum Bauhaus beschäftigten sich Forscher und Künstler mit dem Wechselspiel aus Farbe und Licht. In der Galerie der KVD zeigt die Ausstellung "jardin réversible" große, in den Raum gestellte Farbtafeln, die den Besucher als körperlich fassbarer Farbraum umhüllen. Die Ausstellung ist konzeptuell und richtet sich nicht an ein Publikum, das sich auf dem Sonntagsspaziergang schnell mal Kunst ansieht. Sie wird vor allem Besucher interessieren, die sich mit Farben und ihrer Wirkung beschäftigen. Wie in einem Irrgarten wird man durch die Anordnung der hohen Farbtafeln geführt, entdeckt ungeahnte Durchblicke auf andere Wände und kaum dreht man sich um, schon steht man wieder vor einer anderen farbigen Wand. Die Tafeln ziehen den Betrachter wie ein barockes Gartenlabyrinth in die Tiefe.

Die Module, jedes drei Meter lang und zwei Meter hoch, stammen aus der Hand von Yvonne Bosl, Christian Schied und Bernd Weber. Unter dem gemeinsamen Label "BSW" beschäftigen sich die drei Künstler intensiv mit dem ästhetischen Spannungsfeld von Farbräumen und -setzungen. Kuratorin Inge Jakobsen, im KVD-Vorstand, die das Künstlertrio noch aus Akademiezeiten kennt, bezeichnete die Ausstellung als "ein großes Drei-D-Bild, das sich mit jeder Bewegung verändert. Wir stehen nicht vor der Farbe, sondern mittendrin."

Jede Farbtafel ist in drei immer wieder unterschiedlich farbige Kompartimente unterteilt. Die Farben beschränken sich auf die Primärfarben Rot, Blau und Gelb, die Sekundärfarben Orange, Violett und Grün sowie auf Schwarz, Weiß und Grau. Die Module sind hintereinander gestaffelt und stehen auf Stelzen, um einen schwebenden Effekt zu erzielen, wie Christian Schied betonte. Das ist große Farbfeldmalerei, meist als monochrome Fläche, hin und wieder mit einem farbigen Rand umsäumt und damit stärker abgegrenzt.

Die Farbtafeln sind auf den schwer zu bespielenden Raum der KVD ausgerichtet. Die Module reagieren auf den braunen Fliesenboden, die Eisensäulen und die unruhige Deckensituation. Dass man bei einigen Tafeln die unbemalte Rückseite der Leinwand sieht, ist gewollt. Durch die offengelassenen Seiten sind Durchblicke in den Raum und auf andere Tafeln möglich. Damit ist alles offen und in Bewegung, sobald der Betrachter seine Position verändert. Es ist interessant zu beobachten, wie sich ein bestimmter Grauton durch die Nachbarschaft von Rot oder Blau verwandelt, heller oder dunkler, wärmer oder kälter wird. Wie eine weiße Farbfläche durch ein starkes Rot links neben sich einen Rosaschimmer annimmt und mit der rosafarbenen Fläche rechts neben sich ebenfalls korrespondiert.

Die Frage ist: Wie würde das Weiß neben dem Rosa wirken, wenn die rote Farbfläche nicht vorhanden wäre? Man könnte auch sagen, dass sich ein Dialog der Farben entwickelt. Feinsinnig werden zwei Grautöne - ein kalter und ein warmer - nebeneinander gestellt. Dabei ist es schwierig zu beurteilen, ob es sich nun tatsächlich um zwei verschiedene Graus handelt, oder ob sie nicht nur auf ihr Gegenüber reagieren. Farblehre erlebbar gemacht.

Eine stimmungshafte Beeinflussung der Farbsetzungen auf den Betrachter findet allerdings nicht statt. Dafür sind die Felder zu klein. Deshalb ist die Ausstellung eine äußerst akademische Betrachtung von kühler Sachlichkeit. Als Formation BSW arbeiten Yvonne Bosl, Christian Schied und Bernd Weber seit 2007 an situativen Kunstprojekten.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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