MD-Gelände:Wie viel Verkehr verträgt die Dachauer Innenstadt?

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Während im Stadtrat über die Zahl von Stellplätzen pro Wohnung debattiert wird, laufen die Abrissarbeiten auf dem Gelände. (Foto: Toni Heigl)

Die vorliegenden Entwürfe für das MD-Gelände werden am Dienstag wider Erwarten doch nicht verabschiedet. Die Stadträte von CSU und ÜB wollen mehr Parkplätze je Wohnung.

Von Petra Schafflik, Dachau

Die vorliegenden Entwürfe für das MD-Gelände hat der Stadtrat in seiner Sitzung am Dienstagabend jetzt doch nicht wie erwartet verabschiedet, sondern noch einmal mit neuen Änderungsaufträgen zurück an die Planer geschickt. Konkret wollen die Stadträte mehr Parkplätze je Wohnung und weniger Geschoßfläche im neuen Stadtviertel. Die Reaktion von Bauamtsleiter Moritz Reinhold war zunächst frustriert. "Wie wir jetzt weitermachen, weiß ich nicht", sagte er noch in der Sitzung. Doch einen Tag später sieht die Sache offenbar schon weniger dramatisch aus. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) jedenfalls betont auf Anfrage, die Planer müssten den Entwurf nun überarbeiten. "Ich glaube nicht, dass uns das weit zurückwirft." Überraschend kamen die Beschlüsse dennoch. Denn der detaillierte Vorentwurf für einen Bebauungsplan war noch vor zwei Wochen im Bauausschuss konstruktiv vorberaten worden.

Allerdings zeichnete sich zur Stellplatzfrage bereits eine Kontroverse ab. Das im Planentwurf vorgesehene Mobilitätskonzept mit nur 0,8 Pflichtparkplätzen je Wohnung wollte die CSU nicht mittragen. Dieser Konflikt eskalierte im Stadtrat: Die Konservativen beharrten mit Verweis auf gültige Ratsbeschlüsse auf der Stellplatzsatzung der Stadt und damit auf einem deutlichen Plus an Parkplätzen. Weil mehr Stellplätze zu mehr Verkehr führen, den die Stadt nicht mehr verträgt, wurde auf Vorschlag von Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) entschieden, dann auch "weniger zu bauen", also die Geschoßflächenzahl im Gebiet zu reduzieren. Nicht mehr angetastet wird die Struktur mit Gewerbe, Wohnen, Handel und Kultur - der Flächennutzungsplan passierte einstimmig den Rat.

Noch vor zwei Wochen schien das Projekt MD-Gelände auf einem guten Weg

Noch vor zwei Wochen schien das Projekt MD-Gelände auf einem guten Weg. Nach vielen Jahren der Beratungen, Planungen und Bürgerbeteiligungen für die zentrale Fläche, die künftig das Gesicht der Stadt maßgeblich mitprägen wird, lag im Bauausschuss ein Vorentwurf zum Bebauungsplan vor. Dieses Konzept, das auf dem Siegerentwurf der Darmstädter Architekten Trojan und Trojan aus einem bereits 2008 initiierten städtebaulichen Ideenwettbewerb beruht und diesen in eine Bauplanung umsetzt, stieß insgesamt auf breite Akzeptanz und versetzte die Stadträte in Hochstimmung, dass nun endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden, aus dem Entwurf ein Bauplan entwickelt wird.

Strittig war noch die Frage, wie viele Parkplätze die künftigen Bewohner benötigen werden. Weniger als in bestehenden Wohnsiedlungen, nämlich nur 0,8 Parkplätze je Wohnung, haben die Planer vorgesehen. Weil das neue Stadtviertel zentral liegt, nahe an zwei Bahnhöfen und eine Mobilitätsstation im Viertel Autos und Fahrräder zum Ausleihen anbieten wird. Aber auch wenn die künftigen Bewohner mehr radeln und den öffentlichen Nahverkehr nutzen, "werden sie auch ein Auto in der Garage haben", betonte CSU-Fraktionssprecher Florian Schiller. Wenn aber Parkplätze im Viertel fehlen, werden die Autos in umliegenden Straßen abgestellt. Deshalb fordert die CSU mehr Stellplätze. "Noch mehr Autos verträgt die Innenstadt nicht, dann müssen wir die Geschossflächen anpassen", erwiderte OB Hartmann. Die CSU wollte erst einmal die Planer prüfen lassen, wie viele zusätzliche Stellplätze das Areal noch hergibt. Tatsächlich aber sind die Optionen ausgereizt, erklärte Bauamtsleiter Reinhold. In großflächigen Tiefgaragen sollen für 1000 Wohnungen 800 Bewohnerstellplätze entstehen, für Besucher gibt es Parkplätze in einer Hochgarage, dazu 1200 Stellflächen, die den Gewerbeflächen und 50, die dem Museum zugeordnet sind. Mehr sei nicht drin.

Warum überhaupt mehr Stellplätze?

Doch warum überhaupt mehr Stellplätze? "Wo, wenn nicht in diesem zentralen Gebiet, wollen wir Stellplätze reduzieren?", fragte Thomas Kreß (Grüne). Doch die CSU-Fraktion beharrte auf ihrem "anderen Menschenbild", wonach Bewohner vielleicht tatsächlich mehr öffentlich unterwegs sein werden, "aber dennoch ein Auto haben." Eine reduzierte Stellplatzsatzung "ändert am Menschen gar nichts", betonte auch Rainer Rösch (ÜB). Vergeblich mühte sich die SPD-Fraktion um einen Kompromiss, "das Verkehrsgutachten soll 0,8 und einen Stellplatz pro Wohnung prüfen", sagte Sören Schneider. Bauamtsleiter Reinhold schlug vor, gleich mit der Vorgabe "ein Stellplatz pro Wohnung" ins Bauleitverfahren einzusteigen. Doch die CSU beharrte auf der gültigen Stellplatzsatzung, die einen Parkplatz, bei großen Wohnungen über 95 Quadratmetern sogar zwei Stellplätze vorschreibt. Da im Viertel ein Wohnungsmix geplant ist, würde also in Summe deutlich mehr als ein Parkplatz je Wohnung nötig.

Im Kern drehte sich die Debatte um die Frage, ob die Planung die aktuelle Realität von Wohnen und Mobilität abbilden oder künftige Entwicklungen gestalten will. Für die CSU steht fest: Die Planung müsse sich orientieren "an der Welt, wie sie ist", so Peter Strauch (CSU). Vergeblich appellierte Sabine Geißler, "nicht rückwärts zu denken, sondern nach vorne". Auch OB Hartmann forderte, "daran zu glauben, dass wir mit Stadtgestaltung gute Dinge schaffen können." Viel grundsätzlicher als bei der CSU sind die Bedenken von Jürgen Seidl (FDP), der sich sorgt, ob die Stadt dieses Wachstum überhaupt bewältigen könne. Auch er plädierte daher dafür, weniger Baurecht zu schaffen - ganz unabhängig von der Stellplatzfrage. Es gelte, sich "nicht an den Interessen Dritter, sondern an denen der Bürger zu orientieren". Schließlich votierte eine konservative Mehrheit dafür, die Stellplatzsatzung anzuwenden. Eine andere Mehrheit entschied, dann die Geschossfläche im Gebiet zu reduzieren. Nun gilt es für die Planer, dies einzuarbeiten. Der Oberbürgermeister sieht diese erneute Volte im Planungsprozess entspannt: "Die Zeit haben wir."

© SZ vom 06.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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