Dachau:Machtkampf auf der Autobahn

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Das Amtsgericht verurteilt einen 41-jährigen Franzosen wegen Nötigung. Er drängte einen Autofahrer aus Pfaffenhofen auf der Höhe von Bergkirchen von der A 8 und zerstörte die Windschutzscheibe des Fahrzeugs

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es sind Actionszenen wie aus einem Hollywoodfilm, die am Dienstag vor dem Amtsgericht Dachau geschildert werden. Schauplatz war die Autobahn A8 auf Höhe Bergkirchen: Zwei Männer sind mit ihren Familien in Richtung Stuttgart unterwegs. Auf der linken Fahrspur bremsen sie sich mit ihren Fahrzeugen gegenseitig aus. Es wird wild gestikuliert und mehrfach rechts überholt. Schließlich wird es dem Angeklagten zu bunt. Er drängt seinen Gegenspieler so weit nach rechts von der Fahrbahn ab, bis beide Autos auf dem Standstreifen zum Stehen kommen. Dort steigt der Angeklagte aus, springt auf das Auto des anderen und tritt mit voller Kraft dessen Windschutzscheibe ein.

Eine filmreife Autojagd

Sechs Monate nach der filmreifen Autojagd musste sich ein 41-jähriger Franzose vor dem Dachauer Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs, Nötigung und Sachbeschädigung vor. Am Firmenwagen des Geschädigten, eines 41-jährigen Mannes aus Pfaffenhofen, war ein Schaden von fast 5000 Euro entstanden. Für die Verhandlung ist der strafrechtlich bislang unbescholtene Angeklagte mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern aus Frankreich angereist. Sie alle saßen damals im Auto. Ein Dolmetscher übersetzte vor Gericht die Aussagen des Franzosen, dem nach dem Vorfall der Führerschein entzogen worden war. Demnach befand sich der Mann am frühen Nachmittag des 22. August 2015 auf der Rückreise von Istanbul nach Paris. Auf der Autobahn A 8 in der Höhe von Bergkirchen wurde er eigenen Angaben zufolge auf der linken Fahrspur bei Tempo 130 vom vorherfahrenden Wagen derart ausgebremst, dass er eine Vollbremsung einlegen musste. Als sich das Spiel wenige Minuten später wiederholte, fuhr der Angeklagte auf der rechten Spur vorbei, scherte wieder nach links ein und bremste den anderen Wagen ebenfalls aus.

Der Pfaffenhofener, mit dem seine Frau und zwei Kinder im Auto saßen, revanchierte sich mit dem gleichen Fahrmanöver wie zuvor der Angeklagte. Anschließend wechselte er auf die mittlere Fahrspur. Anstatt nun klein beizugeben, drängte ihn der Angeklagte bis auf den Seitenstreifen und nötigte ihn zum Stehenbleiben. Es folgte der Angriff. Um der Situation zu entkommen, legte der Pfaffenhofener anschließend den Rückwärtsgang ein und fuhr in Richtung Odelzhausen davon. Noch während der Fahrt alarmierte der Mann die Polizei und übermittelte das Autokennzeichen des Angeklagten.

Der Angeklagte bestritt die mutwillige Demolierung der Windschutzscheibe

Bis zur Situation auf dem Standstreifen stimmten die Aussagen der Zeugen im Groben überein - die mutwillige Demolierung der Windschutzscheibe aber stritt der Angeklagte ab. Er schilderte, dass der Pfaffenhofener auf dem Standstreifen auf ihn zugefahren sei, nachdem er ausgestiegen war. Folglich, um nicht überfahren zu werden, sei er auf das Auto gesprungen. Dabei sei er mit beiden Händen auf die Windschutzscheibe gekracht und anschließend vom Auto auf den Boden gefallen. Die Tochter des Angeklagten bestätigte den Vorgang vor Gericht. Die Ehefrau des Franzosen hatte den Vorfall angeblich nicht beobachtet.

Amtsrichter Christian Calame und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatten keine Zweifel daran, dass sich die Situation so zugetragen hat, wie von den Geschädigten geschildert. An den Aussagen der Familienangehörigen des Angeklagten sei deutlich die Absicht erkennbar gewesen, den Vater zu entlasten. Dessen Theorie, aus Selbstschutz auf das Auto gesprungen zu sein, hielt der Richter für unglaubwürdig. "Die Lichtbilder zeigen eindeutig, dass mit dem Fuß auf die Windschutzscheibe eingewirkt wurde."

Das Gerichte verurteilte den Franzosen zu einer Geldstrafe von 2700 Euro

Die Vorgehensweise des 41-Jährigen bezeichnete Calame als "unglaublich massiv". "Sie können von Glück reden, dass niemand verletzt wurde." Sowohl für Kinder als auch Erwachsene sei der Angriff psychisch erheblich belastend gewesen. Folglich verurteilte er den hoch verschuldeten Franzosen zu einer Geldstrafe von 2700 Euro und ordnete einen Entzug der Fahrerlaubnis für weitere 14 Monate an. Den entstandenen Schaden am Auto in Höhe von fast 5000 Euro muss der Mann ebenfalls begleichen.

Gestützt wurde das Urteil und die Einschätzung des Gerichts durch die schriftlich vorliegende Stellungnahme eines Zeugen, der wegen einer Gehirnerschütterung nicht im Gericht erscheinen konnte. Der Mann hatte den Vorfall aus seinem Auto beobachtet und berichtet, dass der Angeklagte "mit höchster Gewalt" versucht habe, die Windschutzscheibe einzutreten. Die Ehefrau des Geschädigten sagte: "Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich kannte das nur von den Affen aus dem Zoo."

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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