Dachau/Limburg:Einer wie Richard Henkes

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Im KZ Dachau verteidigte der Pater die Menschlichkeit

Aus seinem letzten überlieferten Brief spricht das Entsetzen über die Unmenschlichkeit im KZ Dachau: "Die Leute sterben in Massen, weil sie vollständig ausgehungert sind. Es sind dann nur noch Gerippe. Ein grauenhaftes Bild", schreibt der Pallottinerpater Richard Henkes am 4. Februar 1945. Knapp zwei Jahre zuvor, am 8. April 1943, war der Geistliche wegen einer regimekritischen Predigt von der Gestapo im oberschlesischen Ratibor verhaftet und ins KZ Dachau gebracht worden, wo er Zwangsarbeit leisten musste. Er selbst war zwar im "Priesterblock" des Lagers untergebracht, hatte aber - weil er Tschechisch konnte - immer wieder mit Block 17 zu tun, in dem viele Tschechen waren. Ende 1944 brach im KZ eine Typhusepidemie aus. Henkes wollte sich um die Kranken kümmern. "Im Wissen um die eigene tödliche Bedrohung ließ Pater Henkes sich freiwillig bei den Typhuskranken einschließen", so der Pallottinerorden. Henkes infizierte sich und starb am 22. Februar 1945 an der Krankheit, vor 75 Jahren. In einem Gottesdienst im Limburger Dom sprach Kurienkardinal Kurt Koch ihn am 15. September 2019 selig. An der Zeremonie nahmen rund 1000 Gäste teil, darunter zahlreiche Besucher aus Tschechien und Polen. Kardinal Koch erklärte, Henkes habe sich im KZ mutig für Menschen eingesetzt, die keine Hoffnung auf ein Überleben hatten. "Auch an dem menschenverachtenden Ort hat er seine Glaubensüberzeugung bewahrt."

Henkes, der am 26. Mai 1900 im Westerwaldort Ruppach geboren und 1925 in Limburg zum Priester geweiht wurde, war seit 1931 als Prediger und Exerzitienleiter in Oberschlesien tätig. Mehrmals wurde er bei der Gestapo angezeigt. Im April 1943 wurde er schließlich wegen "Aufwiegelung des Volkes von der Kanzel" verhaftet und ins KZ Dachau gebracht. Limburgs Bischof Georg Bätzing würdigte Henkes als "innerlich freien Menschen". Pater Helmut Scharler, Provinzial der Pallottiner, sieht Henkes als "charismatischen Priester, dessen Persönlichkeit im Laufe seines Dienstes gereift ist und schließlich zur Selbstlosigkeit führte".

Henkes verlor er offenbar nicht seinen Glauben an Gott, wie sein letzter Brief zeigt: "Man macht sich allerdings Gedanken, wie das hier einmal ausgehen wird", schrieb Henkes darin 18 Tage vor seinem Tod. "Machen können wir nichts, wir können uns nur auf den Herrgott verlassen." Das Seligsprechungsverfahren war 2003 vom damaligen Limburger Bischof Franz Kamphaus eröffnet worden. Papst Franziskus hatte schließlich im Dezember 2018 anerkannt, dass Henkes als Märtyrer gestorben sei, wegen "Hasses gegen den Glauben". Zur Seligsprechung hatte das Bistum eine "Graphic Documentary" herausgegeben - eine Art Comic für Erwachsene. Der Titel lautet "Und wenn die Wahrheit mich vernichtet".

Die Berliner Autoren und Illustratoren Alexandra Kardinar und Volker Schlecht, die unter dem Label "Drushba Pankow" firmieren, erzählen den Lebensweg Henkes' bis ins KZ Dachau, unter anderem auf Grundlage überlieferter Briefe. Martin Ramb, Abteilungsleiter für Religionspädagogik im Ordinariat in Limburg, sagte: "Als ich davon hörte, dass Pater Henkes seliggesprochen wird, war mir sofort klar, dass wir einen Märtyrer der NS-Zeit unbedingt in einer unverbrauchten Sprache den Menschen von heute näherbringen müssen." Durch sein Zeugnis habe Henkes im KZ die Menschlichkeit verteidigt. Er habe gezeigt, "dass jeder und jede in der Zeit des Naziterrors auch anders hätte handeln können".

© SZ vom 18.02.2020 / KNA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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