Dachau:Leidenschaftlich virtuos

Lesezeit: 3 min

Peter Kofler hat auf den großen Orgeln Europas gespielt. Jetzt war er in Mariä Himmelfahrt zu hören. (Foto: Toni Heigl)

Das Konzert von Peter Kofler aus Vierkirchen auf der Kaps-Orgel in Mariä Himmelfahrt war eines der Extraklasse. Und es war eines gegen die Hörgewohnheiten. Denn der Organist spielte vor allem eigene Bearbeitungen. Das Publikum war hingerissen

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Die künstlerische Vita des noch jungen Organisten Peter Kofler ist imposant. Gerade Mitte Dreißig blickt er schon auf Orgelkonzerte in den bedeutendsten Kirchen wie dem Wiener Stephansdom, dem Berliner Dom, der Dresdener Hofkirche und Sankt Michaelis in Hamburg sowie auf Auftritte in der Berliner und Kölner Philharmonie, dem Concertgebouw Amsterdam, dem Palais des Beaux Arts Brüssel und dem Konzerthaus Wien zurück. In München wirkt Kofler als Organist in Sankt Michael und ist zugleich Initiator und künstlerischer Leiter des Festivals "Münchner Orgelherbst in St. Michael". Jetzt spielte er erstmals an der neuen Kaps-Orgel der Kirche Mariä Himmelfahrt in Dachau, und das war ein Konzert der Extraklasse.

Sein Programm unterschied sich von dem landläufiger Orgelkonzerte vehement. Stehen bei den eher konservativ ausgerichteten Konzerten Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, dessen große Präludien und Fugen und die in ihrer geistigen und religiösen Tiefe unübertroffenen Choralvorspiele im Mittelpunkt, so war Bach jetzt mit keinem Originalwerk vertreten. Peter Kofler zog eine Orgelbearbeitung der Arie "Schafe können sicher weiden, wo ein guter Hirte wacht" vor. Sie ist Teil der Kantate "Was mir behagt, ist nur die muntre Jagd", für Sopran, zwei Blockflöten und Basso continuo, die Bach als Tafelmusik zum Geburtstag des Fürsten Christian von Sachsen-Weißenfels geschrieben hat. Sie ist ein hintergründiges Werk, denn dieser Barockfürst wollte die Pracht des Sonnenkönigs nachahmen und wirtschaftete dabei sein Land absolut herunter. "Wo Regenten wohl regieren,, kann man Ruh und Friede spüren und was Länder glücklich macht!", heißt es in der Schafsarie, was bei diesem maßlosen Barockfürsten gerade nicht der Fall war. Bachs Arie der sicher weidenden Schafe ist deshalb ziemlich bekannt geworden, weil hier der Sopran von zwei Blockflöten sehr virtuos umspielt wird. Das lässt sich auch auf der Orgel mit wenigstens zwei Manualen mit der dabei erforderlichen Virtuosität glücklich darstellen, Flötenregister hat ja jede größere Orgel in Fülle.

Der Geburtstag des der Staatspleite entgegen regierenden und entgegen jagenden Fürsten fiel auf den 23. Februar. Das ist zugleich der Geburtstag von Georg Friedrich Händel, der 1713, im Jahr dieser Kantate, wie Bach 28 Jahre alt geworden ist. Peter Kofler spielte nach Bach ein Werk von Händel, aber wieder keine Originalkomposition für Orgel, sondern seine eigene Bearbeitung der bekanntesten aller Händel-Suiten für Cembalo solo, der g-Moll-Suite mit der großen Passacaglia. Eine solche Bearbeitung, sei es für Orchester oder für die Orgel, die ja mit ihrem Reichtum an verschiedenartigsten Registern der Farbigkeit des Orchesterklangs nahekommt, ist immer eine Instrumentierung. Peter Kofler haben gewiss die vielen Registriermöglichkeiten der Kaps-Orgel gereizt, seine eigene Bearbeitung auch hier zu spielen. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was Kofler aus Händel machte. So klang die im äußersten Pianissimo gespielte Sarabande doch recht manieriert, während sich die schnellen Sätze an den Instrumenten eines Barockorchesters orientierten. Aber die Passacaglia konnte, wie bei allen Bearbeitungen dieses sehr beliebten Stücks, auch hier seine Pracht voll entfalten.

Felix Mendelssohn Bartholdy hat eine Reihe von Orgelwerken geschrieben. Peter Kofler spielte keines davon, sondern eine Orgelbearbeitung der von Mendelssohn für Klavier geschriebenen "Variations serieuses op. 54". Diese Variationen sind wohl das bedeutendste Klavierwerk Mendelssohns, bei dem die Pianisten ein hohes Maß an Virtuosität zeigen können. Das ist bei der Übertragung auf die Orgel nicht anders. Peter Kofler spielte hinreißend und zeigte tief beeindruckende Virtuosität auf den Manualen und dem Pedal. Das "Zeigen" indes war etwas überdeutlich; denn Koflers Hände waren die ganze Konzertstunde lang ununterbrochen auf einer im Altarraum aufgestellten Leinwand präsent. Früher brauchte ein Organist einen Registranden, der pünktlich die erforderten Register zog, heute ist das im Voraus programmiert und wird mittels Knopfdruck abgerufen. Den Registranden ersetzte hier ein Kameramann, der in ständiger Bewegung, einmal in Nahaufnahme, einmal aus der Distanz, die virtuos über die Manuale wirbelnden Hände zeigte. Für das Publikum in der sehr gut besetzten Kirche war das wie Fernsehen mit Live-Musik, wobei die Virtuosität absolut im Vordergrund stand, die Musik vor allem als Mittel zur Entfaltung der Virtuosität erschien.

Bei den Originalwerken für Orgel war das etwas anders. Kofler begann seinen Abend mit einem Magnificat primi toni von Buxtehude, das er recht bescheiden nur auf dem ersten Manual spielte. Außerdem hatte er drei Präludien seines Landsmannes Joseph Alois Ladurner (1769 bis 1851) aus Südtirol mitgebracht . Das sind drei schöne Stücke, die er in farbiger Registrierung spielte. Und das "Carillon de Westminster" von Louis Vierne war ein Stück für Augen und Ohren. Peter Kofler und die Kaps-Orgel erschienen in bestem Licht, das Publikum war hingerissen.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: