Dachau:Kurdischer Protestzug

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Für die Teilnehmer der "Friedenswanderung" ist der Chef der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ein politischer Gefangener. (Foto: Niels P. Joergensen)

Demonstranten fordern die Freilassung von PKK-Chef Öcalan

Polizei und Pressevertreter waren am Mittwochmorgen ziemlich verdutzt, als sie um neun Uhr auf eine Demonstration warteten, aber keine Demonstranten erschienen. Erst mit 20 Minuten Verspätung trafen etwa zwei Dutzend von der S-Bahn kommend am Bahnhof ein. Aus einem weißen Sprinter holten sie Fahnen, neongelbe Warnwesten und ein großes Spruchband hervor. Darauf war zu lesen: "Langer Marsch für die Freiheit von Öcalan und einen Status für Kurdistan."

Mit der dreitägigen "Friedenswanderung", die von Dachau über Unterschleißheim führt und am Freitag mit einer Kundgebung vor dem bayerischen Landtag endet, will das Kurdische Gesellschaftszentrum München auf die kurdische Frage und die Situation von Abdullah Öcalan aufmerksam machen. Ob sie nach einer territorialen Abspaltung der kurdischen Gebiete, nach politischer Autonomie oder kultureller Selbstbestimmung verlangen, blieb auf der Kundgebung in Dachau noch vage. Fest steht, dass die Kurden dem türkischen Präsidenten Erdoğan vorwerfen, die kurdische Frage mit Gewalt und Unterdrückung anzugehen und dabei mit türkischen Rassisten und Nationalisten zu paktieren. Ihre Proteste richten sich gegen Massenverhaftungen von Journalisten, Oppositionellen und Andersdenkenden, gegen die Verletzung von Menschenrechten, gegen Unterdrückung, gegen Erdoğans Plan, ein Präsidialsystem einzuführen, das ihm noch mehr Macht verleiht. "Terrorist, Erdoğan", skandierten sie.

In der Hauptsache fordern sie die Befreiung von Abdullah Öcalan. Er ist einer der Führer der Arbeiterpartei Kurdistans, kurz PKK, die von der EU, der Türkei und den USA als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Vor 18 Jahren wurde er in der Türkei unter anderem wegen Hochverrats und Mordes verhaftet und zum Tode verurteilt. Als die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft wurde, wurde das Urteil in lebenslang umgewandelt. Seither sitzt er im Gefängnis, meist von der Außenwelt isoliert. Seine Anhänger sorgen sich um seine Gesundheit, sie glauben, dass Erdoğan die Todesstrafe seinetwegen wieder einführen will. Dabei sei für den Beginn eines Friedensprozesses Öcalan die entscheidende Person. Dachau wählten die Veranstalter bewusst als Startpunkt. Sie vergleichen, wie erklärt wurde, das Schicksal der Kurden mit dem der politisch Verfolgten, die von den Nazis 1933 ins KZ Dachau verschleppt worden waren.

© SZ vom 02.02.2017 / emo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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