Dachau-Komitee:Der Präsident geht

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Nach heftiger Kritik an seinem Führungsstil tritt Pieter Dietz de Loos von seinem Amt im Internationalen Dachau-Komitee zurück.

Von Helmut Zeller, Dachau

Wie kein Präsident vor ihm hat der Niederländer Pieter Dietz de Loos das Internationale Dachau-Komitee (CID) in zehn Jahren immer wieder in die Schlagzeilen gebracht. Auch das Ende seiner Amtszeit wird weites Aufsehen erregen: Am Samstag trat Pieter Dietz de Loos auf einer außerordentlichen CID-Sitzung überraschend zurück. Die Exekutive tagte im Münchner Hotel Eden Wolff den ganzen Tag. Als Grund für den Rücktritt des 64-jährigen Rechtsanwalts werden Alter und Arbeitsüberlastung genannt. So weit die offizielle Version. Doch er soll zum Rücktritt gedrängt worden sein. Seit Tagen schon spekulierte man in Dachau über die Zukunft des Präsidenten.

Am Freitag hatte ein CID-Mitglied des engeren Kreises um Dietz de Loos Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) über die bevorstehende Sitzung informiert. Ein Putsch lag in der Luft. Nach den Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Befreiung hatten Generalsekretär Jean-Michel Thomas und Schatzmeisterin Sonja Holtz aus Protest ihre Ämter niedergelegt. Überhaupt soll sich viel Unmut über den Führungsstil des Präsidenten aufgestaut haben. Mitglieder klagten schon lange über seine, wie sie es ausdrückten, dirigistische Art. Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, erklärte am Sonntag, nachdem ihn Pieter Dietz de Loos angerufen hatte: "Ich bedanke mich für die gute und enge Zusammenarbeit mit ihm. Er hat das CID in seiner Bedeutung gestärkt." Die Rolle von Statisten der Erinnerungspolitik lehnte der Nachfolger von General André Delpech tatsächlich von Anfang an ab.

Das Comité International de Dachau genießt eine besondere Stellung unter den Opferverbänden. Es hat per Vertrag von 1966 Anspruch auf finanzielle Einnahmen etwa aus dem Katalogverkauf an der KZ-Gedenkstätte Dachau und ein Vetorecht bei der Benennung ihres Leiters. Die Gemeinschaft wurde von KZ-Häftlingen vor der Befreiung und dann in den Fünfziger Jahren neu gegründet. Dietz de Loos, Sohn eines Dachau-Häftlings, begann mit einem Paukenschlag: 2007 forderte er Eintrittsgeld für den Gedenkstättenbesuch. Er stieß damit in die Debatte über die Finanzierung der Gedenkstätten, die der Bund damals institutionell nicht förderte - provozierte aber auch Entsetzen bei allen Beteiligten.

Das erklärte Ziel des neuen Präsidenten war mehr Einfluss des Verbandes auf die Erinnerungspolitik. Auf diesem Weg legte er sich mit allen an, der Gedenkstättenleitung, der Landesstiftung - und eigenen Mitgliedern. Sein letzter Erfolg änderte offenbar nichts an deren Kritik. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hatte den Streit um die Finanzierung des CID mit einer großzügigen Geste beendet. Karl Freller zufolge haben Dietz des Loos und sein Vize Max Mannheimer dem CID "eine besondere Durchsetzungskraft" verschafft.

Dietz de Loos, der auch Kuratoriumsmitglied der Versöhnungskirche in der Gedenkstätte ist, hatte sich aber noch anderen Ärger zugezogen. Schon 2009 warf ihm die damalige Präsidentin des Zentralrats der deutschen Juden, Charlotte Knobloch, vor, das Gedenken an die jüdischen Opfer zu unterschlagen. Dann der 3. Mai: In seiner Rede zum 70. Jahrestag enttäuschte Dietz de Loos einmal mehr Holocaust-Überlebende und Angehörige. Er erklärte lang und breit, dass Dachau ein politisches Lager, kein Lager für Juden gewesen sei. Dachau war ein politisches Lager, doch litten und starben im Stamm- und seinen Außenlagern von Anfang an jüdische Häftlinge, mehr als 50 000.

Jean-Michel Thomas, 66, wurde zum Nachfolger gewählt. Der Generalsekretär, der den Auftakt vom Ende der Ära Dietz de Loos setzte, ist in Dachau nicht so bekannt. Der Sohn des Dachau-Häftlings Jean Thomas war Projektmanager bei der Westinghouse Electric Company und ist General der französischen Armee. Es ist eine Art Rückkehr. Die Franzosen hatten schon immer das CID dominiert. Sein Auftrag aber weist in die Zukunft: Frieden schaffen.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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