Ein schwerer Verkehrsunfall auf der Kreisstraße zwischen Pipinsried und Altomünster zerstörte am frühen Abend des 18. November 2015 eine Familie aus Tandern. Eine 44-jährige Mutter von drei Kindern erlag noch am Unfallort ihren Verletzungen. Sie hatte keine Chance, mit ihrem Wagen noch auszuweichen, als ein 33-jähriger Mann aus dem Landkreis Dachau nach einem rücksichtlosen Überholmanöver plötzlich mit seinem Wagen vor ihr aufgetaucht war. Es kam zum Frontalzusammenstoß beider Fahrzeuge. Nur mit großem Glück überlebte der zwölfjährige Sohn der Frau, der mit im Auto saß.
Am Donnerstag wurde dem inzwischen 34-jährigen Unfallverursacher der Prozess vor dem Amtsgericht Dachau gemacht. Im Sitzungssaal saßen auch Angehörige der Verstorbenen. Sie brachen immer wieder in Tränen aus. Der Angeklagte entschuldigte sich bei ihnen. "Ich will, dass sie wissen, dass es mir einfach unendlich leid tut", sagte der 34-Jährige. "Wenn ich könnte, dann würde ich den Platz mit der Frau tauschen." Er schlug die Hände vor sein Gesicht und weinte bitterlich.
Nach Einschätzung von Amtsrichter Tobias Bauer führte "grob rücksichtsloses" Verhalten zu dem folgenschweren Unfall. Der Angeklagte überholte demnach kurz nach dem Ortsausgang Pipinsried mit bis zu 120 Kilometer pro Stunde auf eine Kuppe zurasend das erste Auto. Anschließend scherte er für einen kurzen Moment wieder auf seine Fahrspur ein und setzte bereits nach der Kuppe vor einer lang gezogenen Rechtskurve zu einem zweiten Überholmanöver an. Dabei schaute er vermutlich noch rechts an dem vor ihm fahrenden Wagen vorbei. Als er dann auf die linke Fahrspur ausscherte, kam es sofort zum Zusammenstoß. Er hatte wegen des ungünstigen Winkels das entgegenkommende Auto der 44-jährigen Frau womöglich nicht gesehen. Das hielt der Sachverständige für möglich. Beide Autos wurden in den Straßengraben geschleudert. Der Unfallverursacher konnte sich relativ schnell aus seinem Autowrack befreien. Er erlitt einen Schock und eine Prellung am Knöchel, mehr nicht. Auch der Sohn der getöteten Frau konnte sich selbst aus dem Wrack befreien. Er wurde unter anderem mit einem Schädel- und Hüfttrauma ins Klinikum Schwabing transportiert, das er nach einer Nacht wieder verlassen durfte. Für seine Mutter kam jedoch jede Rettung zu spät. Sie war sofort bewusstlos und wurde im Wagen eingeklemmt. Trotz intensiver Bemühungen der Feuerwehr konnte sie zunächst nicht aus dem Autowrack befreit werden. Nach Auskunft von Kreisbrandmeister Maximilian Reimoser erlag sie etwa eine Stunde nach dem Unfall ihren schweren inneren Verletzungen.
Verhängnisvolles Fahrverhalten
Der Angeklagte gab an, sich auf dem Heimweg befunden und es eilig gehabt zu haben, weil er abends noch seine Freundin besuchen wollte. Die Fahrer der zwei überholten Fahrzeuge sagten aus, dass der Angeklagte in hohem Tempo an ihnen vorbeigezogen sei. "Ich dachte mir, das kann doch nicht wahr sein, dass jemand überholen will, obwohl jemand entgegenkommt", sagte der Fahrer des Wagens, der Sekunden vor dem Unfall überholt wurde.
Amtsrichter Tobias Bauer stand vor der schwierigen Aufgabe, das verhängnisvolle Fahrverhalten des Angeklagten rechtlich zu ahnden. Das Straßenverkehrsregister des Mannes enthält keine Eintragungen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte dennoch eine Vollzugsstrafe. Sie bezeichnete das Überholmanöver auf der unübersichtlichen Strecke als "völlig rücksichtslos". Man könne einem verständigen Bürger nicht nahebringen, dass eine solche Straftat zur Bewährung ausgesetzt wird. Amtsrichter Bauer war derselben Auffassung und verurteilte den 34-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einem Jahr und zwei Monaten Haft. "Man hätte hier niemals überholen dürfen", sagte er. "Sich so rücksichtslos zu verhalten, das geht nicht in meinen Schädel rein."