Nothilfe bei Familienkrisen:Klappbett auf Abruf

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Der Landkreis Dachau richtet drei Notfallplätze in örtlichen Jugendeinrichtungen ein. Kinder und Jugendliche, die sofort Hilfe benötigen, sollen dort eine sichere Obhut finden.

Von Petra Schafflik, Dachau

Kinder oder Jugendliche, denen Gefahr droht oder die sich alleine ohne Eltern in Deutschland aufhalten, muss das Jugendamt in Obhut nehmen. Sind Probleme in Familien über längere Zeit absehbar, kann für diese Mädchen oder Jungen eine stationäre Einrichtung, eine Wohngruppe oder auch eine Pflegefamilie gesucht werden. In Notfällen, wenn Säuglinge, Kinder oder Jugendliche am Wochenende oder mitten in der Nacht sofort Hilfe brauchen, fehlt dafür aber die Zeit. Dann hat die Dachauer Behörde bisher auf spezialisierte Anlaufstellen in München zurückgegriffen. Doch durch den Zustrom unbegleiteter minderjährige Flüchtlinge (UMF) sind diese Kapazitäten dauerhaft belegt.

Das Jugendamt muss reagieren und wird nun drei Notfallplätze in örtlichen Wohngruppen reservieren. Eine eigene Anlaufstelle aufzubauen, sei angesichts des Flüchtlingsstroms nicht zielführend, erläuterte Landrat Stefan Löwl (CSU). "Jede Struktur, die wir schaffen, ist sofort voll." Nur reservierte Notfallplätze bieten Sicherheit für Krisensituationen.

Ein Jugendlicher fetzt sich nachts heftig mit seinen Eltern, muss nach einem Polizeieinsatz die Wohnung verlassen. Die Nachbarn werden auf ein Kind aufmerksam, das alleine zurückgelassen wurde von seinen Eltern, die übers Wochenende verreist sind. Ein vernachlässigter Säugling wird in einer verwahrlosten Unterkunft aufgefunden und muss sofort versorgt werden. Der Notarzt weist eine alleinerziehende Mutter mit einer akuten Erkrankung in die Klinik ein, Verwandte oder Freunde sind nicht erreichbar. Situationen wie diese sind es, die das Jugendamt auf den Plan rufen und eine Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen notwendig machen. Die Hintergründe seinen vielfältig, erklärte Jugendamtsleiter Ulrich Wamprechtshammer im Jugendhilfeausschuss des Kreistags. Auch die Zahl der kurzfristigen Notfälle schwanke enorm. So habe das Jugendamt im vergangenen November an vier Wochenenden aktiv werden müssen, danach habe es über Monate keinen einzigen Einsatz gegeben. Doch immer wenn am Wochenende oder mitten in der Nacht das Telefon läutet bei Ulrich Wamprechtshammer oder seinem Stellvertreter Anton Bönig, muss rasch eine Lösung her. Im Landkreis steht nur eine Notfall-Pflegefamilie rund um die Uhr bereit. "Es besteht dringender Handlungsbedarf", so Wamprechtshammer.

Eine eigene "Inobhutnahme-Stelle" für den Landkreis oder auch in interkommunaler Zusammenarbeit mit den Nachbarkreisen "wäre mir am liebsten", sagte der Jugendamtsleiter. Allerdings könnten regionale Notfälle so eine Einrichtung nicht auslasten. Umgehend wären freie Kapazitäten mit jungen Flüchtlingen belegt. "In den stationären Einrichtungen herrscht überall Notstand wegen der vielen unbegleiteten Flüchtlinge." Die sicherste Alternative wäre, in einer örtlichen Jugendhilfeeinrichtung Plätze zu reservieren. Allerdings käme diese Lösung mit Kosten von 50 000 Euro pro Platz und Jahr teuer. Bleibt als Option, in einer Wohngruppe oder einem Jugendhaus Notplätze zu reservieren, die dort zusätzlich zur bestehenden Kapazität mit weniger Aufwand geschaffen werden. "Es geht um ein Klappbett für den Notfall, um eine Kurzaufnahme", ergänzte Landrat Löwl. "Aber auch das kostet Geld", sagte Wamprechtshammer, jährlich 6000 Euro für einen Platz. Die Einrichtungen stellten nicht nur das notwendige Klappbett auf, sondern müssten auch personell aufrüsten. Am Wochenende seien Wohngruppen oft nicht besetzt, wenn die Bewohner zu ihren Familien nach Hause fahren. Um Notfälle betreuen zu können, müssten Fachkräfte auf Abruf bereit stehen.

Einige Notfall-Plätze für junge Leute aus dem Landkreis müssen geschaffen werden, da waren sich die Mitglieder im Jugendhilfeausschuss einig. Doch plädierte CSU-Kreisrat Bernard Seidenath dafür, stärker auf Pflegefamilien zu setzen. Gerade in akuten Notfällen "braucht es professionelle Fachlichkeit", widersprach SPD-Kreisrätin Silvia Neumeier, die beruflich die Suchthilfe-Facheinrichtung Drobs leitet. Notplätze in einer Einrichtung seien deshalb "der bessere Weg". Der Jugendhilfeausschuss billigte einstimmig das Konzept, drei Notfallplätze in örtlichen Jugendeinrichtungen zu reservieren.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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