Dachau:Kaum Geld zum Leben

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Alleinerziehende junge Mutter macht Ausbildung als Pflegekraft

Von der Decke baumeln lose Lampenkabel, in der Ecke des Wohn- und Küchenbereichs stapeln sich Kartons. Nur ein Bett und eine gebrauchte Küchenzeile konnte Anna Martinez (alle Namen geändert) sich anschaffen, als sie im Herbst in ihre neue Wohnung einzog. Denn die alleinerziehende Mutter, die noch in der Ausbildung ist, muss scharf kalkulieren. Doch der Umzug war mehr als dringend. Ihre alte Unterkunft, in der sie mit der zweijährigen Tochter Maria und damals auch noch ihrem Partner lebte, war feucht und muffig. Massiver Schimmelbefall in Wohn- wie Schlafräumen gefährdete die Gesundheit von Eltern und Kind. "Alle Möbel mussten wir wegschmeißen, weil sie in dem feuchten Loch vergammelt sind. Das war einfach kein Zustand."

In ihrer hellen, luftigen und vor allem trockenen Wohnung sitzt Anna Martinez jetzt in einem fast leeren Wohnzimmer. Dennoch strahlt die 28-Jährige vor Freude. Auf dem Balkon hat sie einen Topf mit Kräutern aufgestellt, unten im Hof spielen Kinder aus der Nachbarschaft. Endlich kann sich die junge Mutter mit ihrer Tochter in den eigenen vier Wänden wohl fühlen, muss sich nicht ständig Sorgen machen um Schimmelsporen, Asthmaanfälle und Gesundheitsgefahren. Allein, dass sie überhaupt eine ordentliche Wohnung gefunden hat, ist für Anna Martinez ein Glücksfall angesichts der Wohnungsnot im Landkreis. Dafür nimmt sie in Kauf, dass ihr und der kleinen Maria nach Abzug der Miete kaum 450 Euro im Monat zum Leben bleiben. Deutlich weniger, als die junge Frau als Hartz-IV-Empfängerin zur Verfügung hätte. Doch Anna Martinez will kein Leben auf Kosten der Gesellschaft. Sie kommt selbst aus einer Familie, die dauerhaft von staatlicher Unterstützung lebte. "Essen von der Tafel und Kleider vom Roten Kreuz waren bei uns an der Tagesordnung." So möchte sie mit ihrer Tochter die Zukunft nicht gestalten. Also steht sie täglich um 5.30 Uhr auf, startet mit Elan in einen eng getakteten Arbeitstag. Sobald Maria um sieben Uhr in der Krippe ist, arbeitet die Mutter in der Alten- oder Krankenpflege oder drückt die Schulbank. Anna Martinez absolviert die neuartige generalistische Pflegeausbildung, die Absolventen den Weg in die Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpflege ebnet. Drei Jahre dauert die Ausbildung. "Dann stehen mir alle Wege offen, ich muss jetzt nur durchhalten." Also fährt sie morgens zur Kita, dann zur Schule oder in den Praxiswochen auch schon mal quer durch den Landkreis zum Pflegeheim, wo sie eingesetzt ist, und am Abend wieder zurück. Ein Engagement, das sich zumindest finanziell momentan nicht lohnt. Denn Auszubildende sind von Hartz-IV-Leistungen per Gesetz ausgeschlossen, ihnen steht nur die niedrigere Bundesausbildungsbeihilfe offen. Unterstützung erhält Martinez vom Job-Center nur für die Wohnkosten der Tochter. Doch Martinez lässt sich nicht abschrecken. Mit einer einjährigen Schulung zur Pflegehelferin, die vom Jobcenter unterstützt würde, "wäre ich als angelernte Kraft mein Leben lang auf staatliche Hilfe angewiesen." Keine Alternative. Denn Anna Martinez will raus aus dem sozialen Hilfenetz, auf eigenen Beinen stehen. Da verzichtet sie lieber jetzt. Dennoch würden Couch und Regal, eine Lampe und nette Vorhänge fürs Wohnzimmer das Leben der jungen, engagierten Mutter deutlich erleichtern und verschönern. Der SZ-Adventskalender will ihr helfen.

© SZ vom 20.07.2016 / pes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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