Dachau:Kampf um Lohn und Brot

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Das Bäckerhandwerk leidet unter Fachkräftemangel und fürchtet um den Nachwuchs. Auf Tarifstreitigkeiten würden die meisten Betriebe gerne verzichten. (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Bäcker-Innung und Gewerkschaft streiten um empfindliche Einschnitte in neuem Tarifvertrag. Georg Kornprobst, stellvertretender Obermeister im Landkreis Dachau spricht von taktischem Geplänkel: "Die können sich nicht riechen"

LandkreisDie einen sprechen von einem Horrorkatalog, die anderen von Falschmeldung: Zwischen der bayerischen Bäcker-Innung und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist ein Streit entbrannt, der bis in den Landkreis Dachau reicht. Denn die Landesinnung hat den Manteltarifvertrag für die Angestellten im Bäckergewerbe zum 30. September und den Tarifvertrag über die Altersvorsorge zum 31. Dezember gekündigt. Sie hat einen Katalog vorgelegt, in der sie eine Reihe von Änderungen fordert. Die Gewerkschaft reagiert empört und spricht von "drastischen Einbußen" für die Beschäftigten. Die Bäckereiinhaber im Landkreis sehen dagegen die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter durch die Forderungen der Landesinnung nicht gefährdet.

Laut NGG will die Landesinnung das Urlaubsgeld komplett streichen, die Sonntagsarbeit ausdehnen, die Probezeit verdoppeln und krankheitsbedingte Fehltage anteilig auf den Urlaub anrechnen. Die Innung spricht von "notwendig gewordenen Anpassungen an die geänderte Rechtslage". Das Gleichgewicht sei in den vergangenen Jahren zu Lasten der Arbeitgeberseite einseitig gestört worden. Bisher gibt es in Bayern einen Manteltarifvertrag für alle Mitarbeiter von Bäckereien. Er gilt unabhängig davon, ob der Betrieb Innungsmitglied ist oder ob die Mitarbeiter in der Gewerkschaft sind. Von Oktober an, sagt Johannes Specht von der NGG, sei es damit vorbei. Dann falle die Allgemeingültigkeit des Manteltarifvertrags weg und damit auch die in ihm vereinbarten Rechte für Mitarbeiter, die nicht in der Gewerkschaft sind. Die Landesinnung bestreitet das. Der Gewerkschaft NGG wirft sie Stimmungsmache vor. "Dass ein Manteltarifvertrag gekündigt wird, passiert einmal im Jahrzehnt", entgegnet Johannes Specht von der NGG, "das ist nicht alltäglich." Normalerweise gebe es vorher Gespräche zwischen den Tarifparteien. Es grenze an Dreistigkeit, dass die Kündigung ohne Ankündigung komme und gleichzeitig ein Forderungskatalog vorgelegt werde.

Georg Kornprobst, stellvertretender Obermeister der Bäcker-Innung im Landkreis, spricht von taktischem Geplänkel zwischen Innung und Gewerkschaft. "Die können sich nicht riechen", sagt er. Für Regina Wörmann aus Niederroth sind die Aussagen der NGG nur "die Teilwahrheit". Ihre etwa 45 Mitarbeiter haben zwischen 28 und 30 Urlaubstage. Gesetzlich festgelegt sind 24, die restlichen sind im Tarifvertrag vereinbart. Nur auf letztere und nur bei langen Krankheitszeiten ab sechs Monaten, sagt Wörmann, wolle die Landesinnung Krankheitstage anrechnen. "Da fallen nicht schlagartig zehn weg, wie die Gewerkschaft behauptet." Eine Staffelung ist laut Johannes Specht im Kündigungsschreiben der Landesinnung nicht spezifiziert. Was genau "anteilig" bedeute, werde dort nicht erklärt. Abgesehen davon sieht er eine Verrechnung von Urlaub und Krankheit grundsätzlich als falsch an. "Man kann niemandem den Urlaub kürzen, weil er krank ist", sagt er. Ganz im Gegenteil würden viele Mitarbeiter in die Arbeit kommen, obwohl es ihnen nicht gut gehe.

Auch beim Urlaubsgeld und der Sonntagsarbeit hält Regina Wörmann den Protest der Gewerkschaft für übertrieben. Das Urlaubsgeld solle in Zukunft zwar nicht mehr "in der Lohntüte" erscheinen, dafür aber auf die Altersvorsorge umverteilt werden. "Wir halten den Ausbau der tariflichen Altersvorsorge für absolut notwendig", sagt Johannes Specht. Der dürfe allerdings nicht über das Urlaubsgeld finanziert werden. Dass die Landesinnung die Sonntagsarbeit ausweiten will, bestätigt Wörmann. Allerdings werde sie auch dementsprechend mit Zuschlägen entlohnt. Im Arbeitsgesetz ist festgelegt, dass Arbeitnehmer mindestens 15 freie Sonntage haben müssen. Allerdings können die Tarifpartner diese Zahl im Bäckergewerbe auf zehn verringern.

An ihrer Personalpolitik wollen Wörmann und Kornprobst ungeachtet der Ereignisse festhalten. Sie wollen weder die Sonntagsarbeit ausweiten noch Urlaubstage kürzen. Viele Bäckerbetriebe im Landkreis würden ihre Mitarbeiter seit langem übertariflich bezahlen, sagen beide. Kornprobsts fünf Filialen sind sonntags gar nicht geöffnet. Das soll weiterhin so bleiben. Auch beim Urlaub will der Chef alles so lassen wie bisher. Er schickt seine insgesamt etwa 50 Mitarbeiter einmal im Jahr zwei oder sogar drei Wochen am Stück in den Urlaub. "Das brauchen sie bei dem Job einfach", sagt er. Vor allem seinen älteren Mitarbeitern will er das zugestehen. Denn die Arbeit in der Bäckerei ist anstrengend: Arbeitsbeginn in der Backstube ist um 1.30 Uhr, die ersten Kunden kommen um halb sechs. Bereits jetzt hat Kornprobst zu wenige Auszubildende. Außerdem, berichtet er, verließen immer wieder fertig Ausgebildete den Betrieb, um noch zu studieren. "Ich bin um jeden froh, der bleibt", sagt der Bäckermeister, "deshalb muss ich Arbeitsbedingungen schaffen, mit denen die Angestellten zufrieden sind." In dem Punkt widersprechen sich der Bäckermeister und die Gewerkschaft nicht.

Die Stimmung unter den Mitarbeitern der Bäckereien im Landkreis ist indes positiv. Sie vertrauen ihren Chefs. Sabine Gruber von der Bäckerei Wörmann ist sicher, dass sich für sie und ihre Kollegen nichts zum Schlechten wandeln wird. Auch Elisabeth Kneidl macht sich um ihre eigene Zukunft keine Sorgen. Seit 13 Jahren arbeitet sie in der Dachauer Filiale der Bäckerei Kornprobst. Doch die Forderungen der Landesinnung lassen sie um den Nachwuchs fürchten. "Wenn die Bedingungen schlechter werden, wollen noch weniger junge Leute als bisher das Bäckerhandwerk lernen", glaubt sie. Dass Urlaubs- mit Krankheitstagen verrechnet werden sollen, bezeichnet sie als Frechheit: "Man muss doch krank sein können." Einerseits würden die Bedingungen für viele Mitarbeiter der Bäckereien immer schlechter, andererseits sollten sie immer parat sein. Deshalb hält Kneidl auch die Forderung der Landesinnung nach mehr Sonntagsarbeit für unsinnig. Sein Brot könne man auch samstags kaufen, findet sie. Außerdem bezweifelt sie, dass sich der Aufwand rentiert. Vor allem aber macht Kneidl eines deutlich: "Ein Bäcker braucht auch mal einen Ruhetag."

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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