Dachau:Inszenierte Harmonie

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Paul Havermann fordert von Kunstkollegen mehr kommunalpolitisches Engagement. (Foto: Jørgensen)

Paul Havermann über seine Bilder für die Jubiläumsschau, die eine Idealwelt zeigen sollen

Interview von Wolfgang Eitler, Dachau

In den neuen Bildern kreisen Farbflecken wie Sterne entlang eines unbenennbaren Raums. Der ist allerdings nicht schwarz wie im Weltraum. Auch wirkt er nicht magnetisch bedrohlich. Eher verdichten sich die Farben um eine weiße Lichtfläche. Kunstgeschichtlich betrachtet, spielt der Dachauer Paul Havermann neben gestischen Farbkompositionen auch mit den Elementen des Impressionismus. Aber warum so heiter? In der heutigen Zeit? In einem Gespräch zum 20. Jubiläum seines Ateliers bei Schwabhausen sagt Havermann selbstbewusst: "Weil ich es so will."

SZ: Herr Havermann, warum so entspannt? Warum Bilder, die manchmal fast wie Aquarelle anmuten? Was ist los?

Paul Havermann: Mir geht es inzwischen wieder sehr gut. Nach einer kurzen gesundheitlich schwierigen Episode bin ich Gott sei Dank wieder fit und kann mich meiner Kunst widmen. Dazu kommt, dass ich nach 37 Jahren als Zeichenlehrer am Gymnasium in Pension gehen durfte. Treffe ich Schüler, werden oft sehr nette Erinnerungen geweckt, die Kultusbürokratie mit ihren negativen Folgen für den Kunstunterricht vermisse ich hingegen nicht.

Was sagen Sie zu dem Urteil, dass Sie farbliche Idyllen malen?

Ich habe nichts dagegen. Genau darin liegt mein Versuch. Ich betrachte die Inszenierung von Harmonie immer als Prozess und Interaktion. Ich möchte zu dieser realen Welt eine Parallelwelt, eine Art Idealwelt, besser "Kunstwelt" schaffen, nicht als Abwesenheit des Widerständigen. Bildende Kunst ist Umwandlung, Ausdruck der subjektiven Sicht, eigene Sprache, ich kann nur auf die eigenen Ressourcen setzen und den Prozess bewusst zu vollziehen versuchen. Im besten Fall vermittelt sich, was sich mir vermittelt hat. Vom Herzen zum Intellekt.

In der Farbe?

In der Farbe. Hauptsächlich in der Farbe.

Aber warum so viel Weiß?

Ich gehe immer von real existierenden Situationen aus. Im Frühjahr, eher im Spätwinter, sah ich die ersten Krokusse, das erste Grüne. Dieses Wegschmelzen, dieses Auftauen waren der Anlass für die neue Serie.

Bei Ihren Auftritten in der Öffentlichkeit, bei Debatten über die Künstlervereinigung Dachau oder auch wegen Wettbewerben für Kunst an öffentlichen Bauten pflegten Sie eine scharfe Wortwahl. Beispielsweise, als Ihnen der erste Preis beim Wettbewerb für die Ruckteschell-Villa des ehemaligen Dachauer Jugendstilkünstlers im Nachhinein versagt wurde.

Die Begründung war auch hanebüchen, mir vorzuhalten, dass ich als verbeamteter Kunsterzieher nicht in die Kategorie eines professionell tätigen Künstlers einzureihen sei. Ein Akt der Willkür ohne jegliche Unterstützung und Aufschrei meiner Kollegen aus der KVD.

Sind Ihre neuen Bilder als demonstrativer Rückzug zu verstehen?

Keineswegs. Ich würde von mir behaupten wollen, dass ich immer auch ein politisch engagierter Bürger war. Egal, ob es um Kunst am Bau ging oder um Ateliers für Bildende Künstler. Ich würde mir wünschen, dass einige Kollegen in Stadt und im Landkreis sich mehr engagieren würden.

Diesen Vorwurf sollten Sie konkretisieren.

Die Bebauung des MD-Areals (Anm. d. Red.: eine seit 2006 aufgelassene Papierfabrik mit 17 Hektar Fläche in der Dachauer Innenstadt) entscheidet auch über die Zukunft von Kunst und Kultur in Stadt und Landkreis.

Sie meinen, die Diskussion über ein Papiermuseum, über ein Jugendkulturzentrum und eventuell eine Kunsthalle, in der die beiden zeitgenössischen Galerien, die kommunale Galerie und die KVD-Galerie, eine neue Bleibe finden könnten.

In diese Richtung gehen meine Überlegungen, übrigens schon seit der Gründung des Architekturforums Dachau, für das ich Gründungsmitglied war. Aber es ist sehr bedauerlich, dass ich von den bildenden Künstlern anscheinend der einzige bin, der sich kontinuierlich an dem Bürgerforum zum MD-Areal beteiligt.

Warum ist ein solches Engagement nötig?

Wenn wir mitarbeiten und unsere Anliegen in den Arbeitskreisen einbringen, haben wir vielleicht eine Chance, Kulturpolitik zu beeinflussen, vielleicht auch zu prägen. Denn Proteste im Nachhinein, wenn also der Entwurf zum Bebauungsplan steht und vom Stadtrat verabschiedet wird, dürften sinnlos sein. Ich kann nur an meine Kollegen appellieren: Macht mit!

Wegen des Andrangs zur Jubiläumsausstellung am vergangenen Wochenende öffnet Paul Havermann sein Atelier nochmals am Samstag, 25. Juni, von 14 bis 18 Uhr. Zu sehen sind neue Bilder und eine Retrospektive. Atelier in der ehemaligen Schreinerei Lachner in Stetten (Dorfstraße 1).

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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