Dachau:"Ich weiß nichts über meine Zukunft"

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Die Hoffnungen der Flüchtlinge sind groß. Ihre Angst auch. Drei Protokolle

Amuta Racheal, 26, Nigeria, Unterkunft Günding:

Ich lebe seit zehn Monaten mit meinem Mann und unserem Sohn hier. Seitdem bin ich sehr glücklich. Wo wir davor waren, war es schrecklich. Ich war hochschwanger, wir hatten kaum etwas zu essen und die Unterbringung war sehr schlecht. Hier ist es auch nicht einfach, in der Unterkunft leben sehr viele Menschen. Aber wir haben genug zu essen und kriegen Unterstützung von vielen Leuten. Rose Kraus und die anderen bringen uns Babykleidung oder auch etwas zum Anziehen für uns selbst. Deutschland ist das Beste! Wir hoffen so sehr, dass wir bleiben können. Meine größte Sorge und mein größter Wunsch ist, dass mein Mann eine Arbeit findet. Er sucht einen Job, aber es ist sehr schwer, etwas zu finden. Wenn er es schafft, können wir ein gutes Leben haben. Unser Sohn ist hier geboren. Ich wünsche mir, dass er hier eines Tages zur Schule gehen kann. Ich will meine Kinder in Deutschland großziehen.

Amuta Racheal. (Foto: Toni Heigl)

Mansor Cisse, 38, Senegal, Unterkunft Günding :

Am 27. Dezember 2013 kam ich hier in Günding an. Daran erinnere ich mich noch ganz genau. Ich bin mit dem Boot über das Meer gekommen. Es war furchtbar, so viele sind gestorben. Ich möchte am liebsten gar nicht darüber reden. Meine Familie musste im Senegal bleiben. Ich habe drei kleine Töchter, sie sind elf, neun und fünf Jahre alt. Seit vier Jahren habe ich sie nicht gesehen. Das ist schlimm für mich. Manchmal will ich gar nichts mehr tun. Nichts essen und nichts trinken. In Gedanken bin ich immer bei ihnen. Ich hoffe, dass es ihnen gut geht. Seit ich eine Arbeit bei der Gemeinde habe, ist es besser. Das lenkt mich ab. Ich liebe meine Arbeit, sie macht mich sehr glücklich. Mit den Kollegen ist es wie in einer Familie. Jeder ist gleich, es macht keinen Unterschied, ob man schwarz oder weiß, Christ oder Muslim ist. Das ist schön. Aber ich mache mir Sorgen um meine Freunde. Wir wohnen zu elft in der Unterkunft. Ich bin der einzige, der eine Arbeit bekommen hat. Ich weiß nicht, was jetzt passiert mit dem neuen Gesetz in Bayern. Was ist, wenn man nicht mehr arbeiten darf? Immer nur herumsitzen, essen und schlafen? Manchmal denke ich, man wäre lieber tot als das aushalten zu müssen. Meine Freunde sind deshalb sehr oft traurig. Dabei wollen sie nichts lieber tun, als zu arbeiten. Sie lernen schon lange Deutsch, dreimal in der Woche fahren wir alle zum Sprachkurs nach München. Sie wollen eine Zukunft in Deutschland, sie wollen sich integrieren. Genau wie ich. Aber ich weiß nichts über meine Zukunft. Was ist das für eine Welt?

Mansor Cisse. (Foto: Toni Heigl)

Josef Sonko, 29, Nigeria, Unterkunft Hebertshausen, altes Schloss:

Ich bin im Süden von Senegal groß geworden. Das Leben ist hier schwierig und gefährlich. Die Menschen haben wenig Geld und es gibt Rebellen, die MFDC, die Menschen einfach töten. Meine Familie war arm. Meine Eltern sind gestorben, beide an Krankheiten, erst mein Vater, dann die Mutter. Im Jahr 2012 wurde mein Bruder von Rebellen getötet. Sie hielten uns auf und wollten unsere Handys. Mein Bruder hatte keins dabei. Sie haben ihn vor meinen Augen erschossen. Seitdem habe ich viel nachgedacht über mein Leben. Ich war allein mit meinen zwei Schwestern und wir hatten kaum Geld. Ich musste eine Lösung finden. Also habe ich mich noch 2012 entschieden, alleine nach Europa zu flüchten. So bin ich mit dem Boot erst für drei Monate nach Spanien gekommen. Es ging uns Flüchtlingen sehr schlecht dort: Wir hatten keine Arbeit, waren obdachlos, es gab keine soziale Hilfe. Ein Mann hat mir dann geholfen, dass ich einen Platz in einem Bus nach Deutschland bekomme. Ich kam zuerst in Dortmund an, vier Tage später dann in München. Von da bin ich in die Asylbewerberunterkunft in Hebertshausen gekommen, ein paar Monate später nach Erdweg und dann wieder zurück nach Hebertshausen.

Josef Sonko. (Foto: Toni Heigl)

In Deutschland geht es uns viel besser als in Spanien. Ich habe hier viele, sehr nette Menschen kennen gelernt, die mir helfen. Ich bin dafür sehr dankbar. Peter Barth aus Hebertshausen hat mir Deutschunterricht gegeben und Monika Sedlatschek aus Erdweg war auch immer für mich da. Ich habe eine Arbeit bekommen. Erst habe ich bei der Bäckerei Denk gearbeitet. Seit September 2014 mache ich eine Ausbildung bei der Konditorei Weißenbeck. Nach der Arbeit fahre ich dann sofort nach München und mache fünfmal pro Woche Deutschkurse. Konditor sein ist eine Kunst, mann muss immer kreativ sein. Es macht mir sehr viel Spaß. Und ich habe ein konkretes Ziel: Konditor-Meister werden und meine Familie nach Deutschland holen. Meine Schwestern rufen mich manchmal an und fragen, ob ich ihnen Geld schicken kann. Aber ich brauche Zeit und muss mehr verdienen. Ich habe die große Hoffnung, in Deutschland bleiben zu dürfen.

© SZ vom 06.06.2015 / asl, emo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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