Leierkasten-Konzert:Hufgetrappel über der Steppe

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Mongolei meets Orient: Das Ergebnis der Musik dieser unterschiedlichen Welten ist von berückender Schönheit. (Foto: Toni Heigl)

Das mongolisch-iranische Ensemble Sedaa begeistert in der Friedenskirche mit Klängen von grandioser Fülle und Farbigkeit

Von Renate Zauscher, Dachau

Es dürfte das wohl spannendste musikalische Ereignis der Saison in Dachau gewesen sein: das Konzert der Gruppe Sedaa in der Friedenskirche bei einer Veranstaltung des Leierkastens. Zwei sehr unterschiedliche musikalische Welten stießen aufeinander: die der mongolischen Nomaden auf der einen Seite und die klanglich wie instrumental anders geartete Musik des Orients auf der anderen. Das Ergebnis dieser Fusion zweier so unterschiedlicher Traditionen sind Klänge von berückender, exotischer Schönheit, die das Publikum begeisterten.

In der traditionellen mongolischen Musik wird sehr deutlich, wo sie entstanden ist: Naturlaute wie die des über die endlose Hügellandschaft streichenden Windes oder die blökender, wiehernder, zirpender Tiere sind herauszuhören. Immer wieder nimmt man auch Hufgetrappel der über die Steppe stürmenden Pferde wahr: die enge Verbindung von Pferd und Musik belegen schon Namen und Aussehen des mongolischen Nationalinstruments, der Pferdekopfgeige Morin Khuur. Früher bestand sie tatsächlich aus einem Pferdekopf als Klangkörper und aus Schwanzhaaren des Tieres für Saiten und Bogen.

In Ulan Bator ausgebildet

Bei Sedaa wird das zweisaitige, aufrecht auf den Knien gehaltene und einer Bassgambe ähnelnde Instrument von Nasaa Nasanjargal gespielt, der unter anderem bei der Filmmusik für "Das Weinende Kamel" mitwirkte. So wie Naraa Naranbaatar am Pferdekopf-Bass und der virtuose Hackbrettspieler Ganzorig Davaakhuu wurde Nasanjargal an der Hochschule für Musik in Ulan Bator ausgebildet.

Den orientalischen Part zur Weltmusik von Sedaa steuert der aus dem Iran stammende Omid Bahadori bei, der seine mongolischen Kollegen bei einem Festival kennengelernt und mit ihnen 2008 Sedaa gegründet hat. Mit Djembe, Tumbek und anderen Percussionsintrumenten bringt Bahadori ein stark rhythmisches Element in die eher meditativ-getragenen Klänge der mongolischen Musik.

Zweistimmiger Obertongesang

"Sedaa" ist das persische Wort für "Stimme": eine Bezeichnung, die die vier Musiker natürlich mit Bedacht für ihre Gruppierung gewählt haben. Zum unverwechselbaren Klang des Ensembles gehört der Gesang. Die mongolischen Mitglieder von Sedaa beherrschen ebenso wie Omid Bahadori die uralten Gesangstechniken des Ober- und Untertongesangs und des Kehlgesangs, bei denen Stimmbänder, Kehlkopf und der Resonanzraum des Mundes in jeweils ganz eigener Art benutzt werden. Das Ergebnis sind Klänge, die kaum mehr solchen der menschlichen Stimme ähneln; im Fall des Obertongesangs können von ein und demselben Sänger sogar zweistimmig Töne erzeugt werden. Für westliche Ohren ist dieser Gebrauch der Stimme von faszinierender Andersartigkeit, fremd ohne dabei jedoch befremdend zu sein.

Zu mongolischer Steppe und von orientalischen Rhythmen getriebenen Musikelementen kommt bei Sedaa ein Drittes: der Einfluss westlicher musikalischer Traditionen, die den in Deutschland beziehungsweise Österreich lebenden Musikern ebenso geläufig sind wie die ihrer jeweiligen Heimat. Spürbar ist dieser Einfluss vor allem dort, wo Omid Bahadori zur Gitarre greift oder die Melodie der Pferdekopfgeige jazzig zu swingen beginnt. Sedaa bringt bald eine neue CD heraus. Einen Vorgeschmack darauf gab das Stück mit dem Titel "Sonnenaufgang", eine Komposition der Gruppe, die den offiziellen Teil des Konzerts beschloss. Noch einmal trafen Steppe und Orient, meditative Elemente und das vorwärts drängende Tempo der Percussionsinstrumente aufeinander und bildeten einen Klangteppich von grandioser Fülle und Farbigkeit.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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