Jazz in Dachau:Good vibrations

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Das Jazz-Salonorchester ist eine Institution in Dachau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zum 20-jährigen Bestehen zeigt das Jazz-Salonorchester des JEG aufs Schönste, was musikalische Bildung bewirken kann. Die Bigband des Gymnasiums an St. Stephan und die Bigband Dachau sind die kongenialen Begleiter.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Eigentlich ist das Josef-Effner-Gymnasium (JEG) "naturwissenschaftlich-technologisch und sprachlich ausgerichtet". Und doch gibt es eine echte Schulmusikszene. Das Jazz-Salonorchester ist so etwas wie eine Institution in Dachau. Und das seit zwanzig Jahren. Am Freitag wurde gefeiert. Nicht mit Ansprachen der Schulleitung und lobenden Worten für Orchesterchef Hans Blume. Sondern mit einem Konzertabend der Extraklasse.

"Jazz hoch drei" hieß es bereits zum zweiten Mal im Heim der Knabenkapelle Dachau, einem ehemaligen Kino. Drei Bands folgten begeistert und begeisternd der Aufforderung von Knabenkapelle-Vorstand Thilo Ederer, "dem Saal zu geben, was ihm gebührt": Jazz-Salonorchester, die Bigband des Gymnasiums an St. Stephan aus Augsburg und die Bigband Dachau, ein erwachsener Sprössling der Knabenkapelle.

Die Saxofonisten und Tubaspielerin Jasmin brillierten im Heim der Knabenkapelle. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Den drei so unterschiedlichen Formationen gelang dabei ein echtes Kunststück: Sie hatten Musik für alle Altersklassen im Gepäck und machten den Abend zum Ereignis. Sie spielten den Saal in Grund und Boden und ließen das begeisterte Publikum auf good vibrations - beileibe nicht nur stolze Eltern, Großeltern, Freundinnen und Freunde - schweben.

Die ersten swingenden, jazzenden Töne kamen vom Jazz-Salonorchester, eine gelungene Auswahl bekannter und unbekannter Salonmusik. Wobei die Musiker - von der Fünftklässlerin bis zum Ehemaligen - durchaus ein Wörtchen mitredeten. Was Blume ebenso humorvoll kommentierte, wie er die Geschichte dieser nostalgischen und doch zeitlosen Musikrichtung erzählte. Dass die Musiker gerade von einer anstrengenden Orchesterfahrt aus Bamberg zurückgekommen waren, merkte man ihnen nicht an. Verführerisch klang ihre Tanzmusik, bildgewaltig ihr "After the Storm".

Sie ließen sich, wie etwa Gesangssolistin Asra, auch von Technikproblemen nicht aus dem Konzept bringen; Tubaspielerin Jasmin ließ mit ihrer Brillanz aufhorchen. Oliver von Meerendonk ist ein ebenso hervorragender Sänger wie Gitarrist, der selbstverständlich auch noch die Augsburger unterstützte. Das alles sind Ergebnisse kontinuierlicher musikalischer Arbeit. Diese liegt fast so lange, wie es das Salonorchester gibt, in den Händen von Hans Blume. Er hat den Sound geprägt, arrangiert die Originalnoten, die er in oft mühsamer Kleinarbeit besorgt hat und besorgt. Und erklärt sein Konzept so: "Wenn jemand Leidenschaft für Musik und Talent hat und dann auf ein naturwissenschaftliches Gymnasium geht, ist er ausgehungert nach Musik. Dann treffen sich im Orchester Individualisten. Die lernen voneinander und miteinander. Das ist jedes Mal ein Abenteuer. Die Großen geben ihr Können und ihr Wissen an die Kleinen weiter. Das hat sich bewährt."

In seinen - von der Besetzung her - großen Zeiten hatte das Salonorchester 44 Mitglieder. "Dem hat das G 8 den Garaus gemacht", sagte Blume. Nach dessen Einführung habe er bei Null anfangen müssen. "Aber die, die damals Fünftklässler waren, sind jetzt in der elften und so schließt sich der Kreis wieder", bleibt er optimistisch.

Auch Trompeter Jörg Hartl, Gründer der Dachauer Bigband, spielte im Salonorchester und inzwischen bei LaBrassBanda. Weshalb er den (nicht vorhandenen) Dirigentenstab an Tom Jahn abgegeben hat. Doch dazu später mehr. Denn die Bigband des Gymnasiums an St. Stephan mit ihrem Leiter Bastian Walcher hatte nach dem Salonorchester ihren Auftritt. Das war Show mit Können nebst Percussionisten zum Niederknien. Der Saal tobte, die Mädchen verliebten sich in Drummer Daniele im Muscle-Shirt respektive seinen Kollegen Brian. Die älteren Semester hielt es nicht mehr auf den Bänken, die Stimmung kochte über. Und dann die "Erwachsenen": Die Bigband Dachau zeigte, was aus Schulmusik und musikalischer Förderung werden kann: Eine Formation, die die musikalischen Grenzen von Bigband-Sound, Rock, Pop, Techno und was sonst noch angesagt ist, sprengt und jeden mitnimmt auf diese Achterbahnfahrt der Töne. Da ging die Post ab - und auch die, die schon länger jung sind, verfielen der Bigband.

Fazit eines geilen Abends: Diese Bands haben ein Riesenpublikum verdient, zum Beispiel bei einem der nächsten Barockkonzerte im Schlossgarten. Und eine Überlegung zum Schluss: Wenn Dachau schon mit privaten und schulischen Initiativen so viele junge Menschen für Musik begeistern kann, wie viele wären es erst, wenn es endlich eine kommunale Musikschule gäbe, die allen Kindern Zugang zu dieser Welt ermöglichen könnte?

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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