Autoliv:Geschockte Belegschaft

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Der Automobilzulieferer Autoliv verzeichnet wachsende Gewinne. Dennoch sollen am Standort Dachau 160 Mitarbeiter ihren Job verlieren. Das Unternehmen verlagert die Produktion immer mehr nach Osteuropa

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Der Automobilzulieferer Autoliv in Dachau kürzt massiv Stellen. 160 Mitarbeiter sollen bis 2017 gehen. Damit verliert jeder Zweite im Bereich Produktion und jeder Vierte im Bereich Entwicklung seinen Job. In einer Pressemitteilung bezeichnet das Unternehmen die Entlassungen als "unumgänglich gewordenen Schritt". Das Werk werde "weiterhin konzernweiter Entwicklungsstandort für Airbag-Technologien bleiben und seine führende Rolle im Fachbereich Elektronik weiter verstärken." Autoliv ist einer der größten Arbeitgeber im Landkreis Dachau. Das schwedische Unternehmen beschäftigt rund 700 Mitarbeiter. Bereits seit Jahren baut der Konzern in Deutschland Stellen ab, die Produktion wird aus Kostengründen immer mehr nach Osteuropa verlagert. Dachau ist neben Elmshorn in der Nähe von Hamburg der letzte verbliebene Standort in Deutschland, an dem noch produziert wird.

"Hier geht es um eine Gewinnmaximierung und darum, die Aktionäre zu befriedigen", sagt Frank Petrus, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender in Dachau und Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Autoliv in Deutschland. Grund für die Verlagerung nach Osteuropa sei der enorme Preisdruck, den Automobilkonzerne wie BMW ausüben. "Da werden Vorgaben gemacht, die kann man in Deutschland gar nicht einhalten", sagt Petrus. "Und das geht auch anderen Zulieferern wie Continental so." Am Standort Dachau sei zwar ebenso wie an den anderen deutschen Produktionsstätten immer profitabel gearbeitet worden, das bestätigt auch Andrea Kleba, Betriebsratsvorsitzende in Dachau, doch die Gewinne, die in den osteuropäischen Ländern erwirtschaftet würden, seien noch höher. Denn die Lohnminute koste in Polen oder Rumänien 40 Cent weniger als in Deutschland. Neue Produktlinien liefen schon jetzt nur noch dort an, Aufträge und Projektanfragen gingen in Dachau merklich zurück. "Was bei uns abgebaut wird, wird in Rumänien, Polen und Ungarn aufgebaut", sagt Petrus. Mehr als 6000 von rund 20 000 Mitarbeitern in Europa entfielen schon jetzt auf Rumänien.

In Dachau werden 2015 zunächst alle Leihkräfte in der Produktion entlassen, etwa 50 Personen sind hiervon betroffen. 2016 müssen weitere 60 Mitarbeiter gehen, 2017 nochmals 30. Außerdem werden 2016 im Bereich Production Overhead, zu dem unter anderem Logistik und Qualitätsprüfung gehören, 14 Stellen wegfallen. Auch in der Entwicklungsabteilung kommt es zu Kürzungen, dort werden 2016 und 2017 etwa 50 Stellen gekürzt.

Autoliv ist Weltmarktführer bei Sicherheitsgurten und der weltweit größte Hersteller von Airbags. 70 Prozent seines Umsatzes macht das Unternehmen mit Airbags, 30 Prozent mit Sicherheitsgurten. Es verzeichnet seit Jahren wachsende Gewinne. Im Jahr 2014 steigerte es seinen weltweiten Umsatz um fünf Prozent auf 9,24 Milliarden Dollar. Zuletzt profitierte Autoliv von schwerwiegenden Problemen seines größten Konkurrenten. Rund 33,8 Millionen Fahrzeuge mussten wegen defekter Airbags des japanischen Herstellers Takata zurückgerufen werden. Es war die größte Rückrufaktion aller Zeiten. "Autoliv, der große Krisengewinner", titelte tagesschau.de Anfang Juni. Bereits im Januar hatte der Konzern in Reaktion auf die Airbag-Rückrufaktion angekündigt, seine Produktionskapazitäten zu erhöhen.

Dennoch hat Autoliv in den vergangenen Jahren in Deutschland zahlreiche Stellen gekürzt und Werke geschlossen. 2011 wurden zwei Tochterbetriebe in Norderstedt und Rellingen im Bundesland Schleswig-Holstein geschlossen. 2013 wurde bekannt, dass das Werk im sächsischen Döbeln geschlossen wird, 2014 folgte das Werk in Braunschweig. Ende März dieses Jahres wurde die Kürzung von 22 Stellen am Standort Elmshorn beschlossen.

Die Angestellten in Dachau blicken nun ins Ungewisse. Welche Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren werden, ist laut Kleba noch nicht klar. "Viele sind seit vielen Jahren bei Autoliv und sind geschockt", sagt Kleba, die seit fast 25 Jahren bei dem Automobilzulieferer arbeitet. "Es gibt viele, die direkt nach der Schule bei Autoliv angefangen haben und seit 30 Jahren Airbags bauen", sagt sie. "Für die wird es schwierig, falls sie ihren Job verlieren." Am Donnerstag findet eine Betriebsversammlung statt, an der auch die IG Metall teilnimmt. Der Betriebsrat wird kommende Woche mit dem Unternehmen verhandeln, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Kleba: "Aufhalten werden wir die Kündigungen nicht können, aber wir wollen es so sozial verträglich wie möglich machen."

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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