Dachau:Geehrt, geschätzt, gehasst

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Dachau feiert den Schriftsteller Ludwig Thoma, der am Samstag vor 150 Jahren geboren wurde

Von Robert Stocker, Dachau

"Wenn ich zurückdenk, am schönsten war es doch in Dachau", schrieb Ludwig Thoma am 1. Januar 1920 in einem Brief an Maidi von Liebermann, eine Frau, die er lange verehrte. Der Schriftzug hängt im Aufzug des Ludwig-Thoma-Hauses, heute ein Veranstaltungsort für die Kultur, der zu Ehren des Schriftstellers seinen Namen trägt. Drei Jahre, von 1894 bis 1897, lebte Thoma in Dachau, wo der Jurist nahe dem Amtsgericht eine Anwaltskanzlei im Raufferhaus betrieb. Thomas Aufenthalt in der Stadt und seine Erfahrungen mit Land und Leuten schlugen sich in vielen seiner Romane nieder, etwa in seinem ersten Werk "Agricola" oder "Der Ruepp". Der Schriftsteller, der am Ende seines Lebens Hetzschriften im Miesbacher Anzeiger schrieb, hat dem Dachauer Land mit seinen Romanen ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Ludwig-Thoma-Gemeinde hat es sich zur Aufgabe gemacht, sein kulturelles Erbe zu wahren. Der Geburtstag des Dichters jährt sich an diesem Samstag zum 150. Mal - für den Verein Anlass, 2017 als Ludwig-Thoma-Jahr auszurufen.

Zu Ehren von Thoma wurde auch eine Straße nach ihm benannt, wo ein Gedenkstein an ihn erinnert. Dort findet am Samstag, seinem Geburtstag, um 10.30 Uhr eine Feier statt, zu der die Ludwig-Thoma-Gemeinde eingeladen hat. Oberbürgermeister Florian Hartmann wird sich in seinem Grußwort mit den Beziehungen zwischen dem Schriftsteller und der Stadt befassen. Vereinsvorsitzender Eduard Hörl geht auf die Geschichte der Ludwig-Thoma-Gemeinde ein und erläutert die Bedeutung des Schriftstellers für die Stadt. Kulturreferent Claus Weber trägt Gedichte von Ludwig Thoma vor, aber auch einen Brief an seine Schwester, in dem es um den Einzug der Anwaltskanzlei ins Raufferhaus geht. Darin bittet der aufstrebende Advokat, ihm Lebensmittel nach Dachau zu schicken, damit er sich nicht so viel kaufen muss. Die Musik steuert die Blaskapelle "De Dachauer" bei, ein Ableger der Dachauer Knabenkapelle.

Mit Thomas Schaffen als Bühnenautor befasst sich am Samstagabend Gertrud Rösch, Professorin an der Universität Heidelberg, die mit einer Arbeit über Thomas journalistisches Werk promovierte. Ihr Vortrag, der um 19 Uhr im Zieglerbräu beginnt, legt dar, dass Thoma ein begnadeter Autor war, dem die Arbeit unglaublich leicht von der Hand ging. Außerdem werden bei der Geburtstagsfeier im Zieglerbräu szenische Lesungen aufgeführt. "Dachau lebt in Thomas Werken fort", sagt Eduard Hörl, "er hat die Charaktere sehr typisch beschrieben."

Nicht immer zur Freude der Betroffenen, wie Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler weiß. Göttler, der einer alteingesessenen Bauernfamilie in Goppertshofen (Gemeinde Hebertshausen) entstammt, erinnert sich noch an Erzählungen, wonach viele Landwirte Thomas Geschichten mit Argwohn sahen. Sie verstanden die Romane über das bäuerliche Leben nicht als Huldigung, sondern als Herabsetzung. Die antisemitischen Beschimpfungen und Aufrufe zur Gewalt, die Thoma in seinen letzten Lebensjahren am Tegernsee für den Miesbacher Anzeiger schrieb, veränderten dann das Bild des Schriftstellers radikal. Der Autor der Lausbubengeschichten und begnadete Satiriker des Simplicissimus wurde plötzlich zum gefährlichen Polemiker. Göttler führt diesen Wandel in einem Theaterstück vor, das er im Auftrag der Thoma-Gemeinde geschrieben hat und das am 31. März im Ludwig-Thoma-Haus uraufgeführt werden soll. In dem Stück geht es um Thomas letzte Tage am Tegernsee, um den bevorstehenden Tod des krebskranken Dichters, seine literarischen Erfolge und persönlichen Niederlagen. "Thoma - eine Selbstzerstörung", lautet der Titel des Stücks. "Thoma hat zweifellos einen Bruch in seiner Vita erlebt", betont auch Vereinsvorsitzender Hörl. "Seine Schriften am Lebensende belegen, dass er ein Mann mit zwei Gesichtern war."

Am Gedenkstein für Ludwig Thoma findet am Samstag eine Feier zum 150. Geburtstag des Dichters statt. (Foto: Toni Heigl)

In Ludwig Thomas Werk spielt auch das Bier eine große Rolle, was sich beispielsweise in seiner berühmten Satire "Ein Münchner im Himmel" niederschlägt. Das Bezirksmuseum nimmt dies zum Anlass, den Schriftsteller unter dem Motto "Thoma und das Bier" zu würdigen. Am Sonntag, 22. Januar, stoßen die Ludwig-Thoma-Gemeinde und das Bezirksmuseum von 14 bis 16 Uhr auf den 150. Geburtstag des bayerischen Dichters an. Mit szenischen Lesungen, Brotzeit und Bier. Prost, Ludwig Thoma lebe hoch.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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