Dachau/Fürstenfeldbruck:Sieger und Gewinner

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Die CSU Fürstenfeldbruck und Dachau hat Katrin Mair, Schatzmeisterin des Bezirksverbands Oberbayern, zur Bundestagskandidatin nominiert. Sie soll Gerda Hasselfeldt nachfolgen.

Von Wolfgang Eitler, Dachau/Fürstenfeldbruck

Mit ausgebreiteten Armen und einem Seufzer der Erleichterung geht Katrin Mair auf ihr Vorbild zu. Die CSU-Landesgruppenchefin in Berlin, Gerda Hasselfeldt, erwidert die überbordende Herzlichkeit mit einem Lachen und einer eher zurückhaltenden Umarmung. Sie dokumentiert damit ihre seit Monaten beteuerte Neutralität gegenüber allen vier Kandidaten, die sich um ihre Nachfolge in den Bundestag beworben haben. Außerdem zeigt sie sich von Florian Schiller beeindruckt, der Katrin Mair in die Stichwahl gezwungen hat und am Mittwochabend mit nur drei Stimmen weniger unterlegen ist. "Sein Ergebnis ist herausragend", sagt sie der SZ. "Das ist eine Bestätigung seiner Persönlichkeit."

Die oberbayerische CSU-Schatzmeisterin Mair aus Türkenfeld galt als klare Favoritin. Dem Dachauer CSU-Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat wurden innerparteilich großzügig Außenseiterchancen eingeräumt. Insofern endete die Nominierungsversammlung mit einer Siegerin Katrin Mair, die in den Bundestag einziehen will, und einem moralischen Gewinner Schiller, der "mehr als einen Achtungserfolg" (Hasselfeldt) erzielte. Die beiden Mitbewerber, der CSU-Landtagsabgeordnete Anton Kreitmair und der Arzt Georg von Hundt, kommentierten ihre erwartete Niederlage gelassen. Kreitmair hatte schon Tage zuvor gewitzelt, einen geschlossenen Briefumschlag mit dem Siegernamen bei der SZ abgeben zu können. "Aber dass es so knapp zwischen Mair und Schiller wird, damit habe ich nicht gerechnet."

Katrin Mair freut sich über die Nominierung zur Bundestagskandidatin der CSU für Dachau und Fürstenfeldbruck. Und mit ihr die Geschäftsführerin des Bezirksverbands Oberbayern, Kathrin Alte (re.). (Foto: Toni Heigl)

Im Juni hatten die beiden Kreisvorsitzenden, Thomas Karmasin in Fürstenfeldbruck und Bernhard Seidenath in Dachau, einen ergebnisoffenen Wettstreit angekündigt. Das Verfahren wirkte auch innerhalb der Partei anfangs wie der Versuch, den Dachauern trotz ihrer Chancenlosigkeit das Gefühl des Mitredens zu gewähren. Denn die Mehrheitsverhältnisse waren klar: 85 Delegierte für Fürstenfeldbruck und 75 für Dachau. Außerdem hat sich der Brucker Kreisverband in den vergangenen Jahren in eine Partei verwandelt, die Vorgaben des Vorstands nur abnickt. Die Dachauer CSU ist nach der Niederlage bei der Wahl zum Oberbürgermeister und dem knappen Sieg von Landrat Stefan Löwl (CSU) gegen die SPD immer noch dabei, sich zu finden. Die Zäsur führte dazu, dass sich der Nachwuchs in der Stadt Dachau bis auf den 33-jährigen Florian Schiller zurückzog.

Im Laufe der zehn parteiinternen Vorstellungsrunden der vergangenen Monate staunten Karmasin und Seidenath über die Diskussionen und die "Professionalität", mit der sich alle vier Anwärter für die Hasselfeldt-Nachfolge profiliert hätten. Zunächst schien es so, als könnte Anton Kreitmair als Präsident des oberbayerischen Bauernverbands punkten, aber unter den Fürstenfeldbrucker Delegierten fehlte sein Klientel. Sehr bald wurde deutlich, dass Mair und Schiller bei den Veranstaltungen die größten Sympathiewerte erzielten. Aber mehr als ein Bauchgefühl war das nicht. Am Tag vor der Nominierung hieß es noch bei maßgeblichen CSU-Mitgliedern: "Mair kann es in der ersten Runde schaffen." Gefühle und Demoskopien können bekanntlich täuschen.

Florian Schiller hat verloren und doch wieder nicht.

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(Foto: Toni Heigl)

Anton Kreitmair...

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(Foto: Toni Heigl)

...und Georg von Hundt schafften es nicht in die Stichwahl.

In ihrer Rede im Theatersaal des ASV Dachau setzt Katrin Mair auf die Hasselfeldt-Karte. Einige Frauen bemerken die "modische Annäherung" an die Bundestagsabgeordnete in Form des klassischen Etui-Kleids, das fraulich und businessmäßig gleichermaßen wirkt. Wenn Gerda Hasselfeldt in einer Rede Wichtiges darlegen will, spricht sie leiser, bewegt sich vom Mikrofon weg und zwingt das Publikum zur Konzentration. So wie am Dienstag, als sie einen Appell an die Zuhörer richtete, die Kritik an der CDU bayernweit zu beenden. Dazu brauchte es allerdings Autorität. Mair misslingt der rhetorische Versuch, die Themen Sicherheit, Gerechtigkeit und "Schutz der Heimat" plakativ zu setzen. Erst als sie ein dickes Schreibheft in die Höhe hält und verspricht, darin alle Anliegen der Bürger einzutragen, schließt sie ihre Vorstellung humorvoll-heiter ab. Das war auch nötig.

Denn Florian Schiller weicht von den Selbstdarstellungen seiner drei Mitbewerber dadurch ab, dass er seine Leidenschaft für die Politik in Szene setzt. Und das mit Vehemenz. Er scheut nicht die Kritik am brüllenden bayerischen Löwen und wünscht sich "mehr Hasselfeldt" in der Asylpolitik. Außerdem erhebt er einen thematischen Führungsanspruch, der ihm großen Applaus einbringt: CSU und Kirchen haben sich in der Asyldebatte voneinander entfernt. "Mir gefällt das überhaupt nicht", ruft er. "Ich will auf die Kirchen zugehen, damit wir miteinander und nicht übereinander reden." Er bezeichnet es als unerträglich ("Da friert's mich."), dass dieses Jahr schon 4000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken sind.

Der große Abschied kommt im Herbst 2017. Der kleine in Dachau rührt Gerda Hasselfeldt bereits zu Tränen. (Foto: Toni Heigl)

Eine der wenigen Delegierten, die Florian Schiller, öffentlich ein echte Chance gegen Mair einräumen, ist Lena Eberl, die Dachauer Kreisvorsitzende der Jungen Union: "Er könnte gewinnen." Auch Seidenath rechnet mit einer Stichwahl. Dass die Nachwuchsorganisation der CSU in Fürstenfeldbruck auf Facebook bereits die "Bundes-Katrin" feiert, irritiert Eberl nicht. Deswegen gibt es gleich mal ein Selfie mit Schiller vor der Wahl. Sie hat fast recht. Mair bekommt 71 Stimmen von 158 gültigen im ersten Wahlgang. Schiller 47, Kreitmair 29 und von Hundt elf. Der Arzt aus Bergkirchen schüttelt die derbe Niederlage sarkastisch als "Guttenberg-Effekt" ab: "Man weiß ja nie, ob ein Adliger seinen Doktortitel behält." Vielleicht hätten Kreitmair und er ähnlich direkt auf die Delegierten zugehen sollen wie Schiller, anstatt über "die Nähe zum Bürger" und die Kompetenz in der Gesundheitspolitik zu dozieren.

Die oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, hat ihre Geschäftsführerin Kathrin Alte in den Theatersaal entsendet, um das Ergebnis telefonisch sofort zu erfahren. Die Spannung vom Mittwochabend wirkt nach. Mair gibt sich zufrieden mit dem Ergebnis. "Bei guten Kandidaten darf es knapp werden", sagt sie tags darauf der SZ. Die Stimme ist allerdings noch etwas zittrig. Florian Schiller sagt zum Ergebnis: "Es ist schöner, knapp als deutlich zu verlieren." Aber die Bitterkeit bleibt. "Da brauche ich noch einige Wochen." Bis vor wenigen Monaten galt Schiller als ein Politiker, der die Öffentlichkeit scheut und das nüchtern-sachliche Gespräch bevorzugt. Jetzt sagt er: "Ich habe mich und meine Persönlichkeit besser kennengelernt. Ich habe gemerkt, was in mir steckt und was ich von mir zeigen kann." Der CSU-Kreisvorsitzende in Fürstenfeldbruck, Thomas Karmasin, rechnet fest damit, dass die Dachauer ein solch "politisches Talent" pflegen. "Wenn nicht", fügt er lachend hinzu, "werbe ich ihn gerne ab." Der Dachauer Kollege Bernhard Seidenath sagt: "Florian Schiller hat noch eine große politische Zukunft vor sich."

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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