Nach der Kündigung des Pachtvertrags:Ersatzbau für Flüchtlingsunterkunft ungewiss

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Das Ministerium hat keinen Plan, wohin mit den 124 Bewohnern der Unterkunft an der Kufsteiner Straße. Landtagsabgeordneter Kreitmair will eine Obergrenze, Oberbürgermeister Hartmann Wohnungen bauen

Von Gregor Schiegl, Dachau

Ein festes Gebäude mit abschließbaren Wohnungen für Familien sollte die marode Gemeinschaftsunterkunft an der Kufsteiner Straße ersetzen, so hatte es der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) 2013 angekündigt. Doch ob daraus noch etwas wird, erscheint zweifelhaft. Regierung und Sozialministerium sprechen jetzt nur noch ganz allgemein von einem "Ersatzbau" für die 124 Flüchtlinge. Aus Sicht des CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath sind die Pläne von 2013 aufgrund der Gesamtentwicklung überholt. Sein SPD-Kollege Martin Güll gibt sich damit nicht zufrieden. "Von uns wird massiv eingefordert, dass die Zusagen eingehalten werden."

Es müsse nicht zwingend ein Ziegelbau entstehen, sagt Güll. Auch mit Gebäuden in modularer Holzbauweise könne man heute schnell und kostengünstig Wohnraum schaffen; der ließe sich sogar ausbauen bis auf Sozialbaustandard - und das auch auf kleineren Flächen. Güll fordert auch ganz generell eine Wende in der Flüchtlingspolitik hin zu nachhaltigerem Wohnungsbau. Auf lange Sicht sei es nicht sinnvoll, Flüchtlinge in immer neuen Traglufthallen und Containerdörfern unterzubringen. "Bisher war das Handeln von Aktionismus geprägt", kritisiert er.

Schon im November vergangenen Jahres hatte Güll in einem Brief an die bayerische Sozialministerin Emilia Müller nachgefragt, wie weit die Pläne für das von Seehofer angekündigte Vorzeigeprojekt in Dachau gediehen seien. Die Antwort fiel unbefriedigend aus. Demnach hatte die Stadt ein Grundstück angeboten, das für eine Unterkunft mit 150 Bewohnern aber zu klein war. Das Angebot, das benachbarte stadteigene Grundstück während der Bauzeit der neuen Unterkunft als Zwischenlösung für Container anzubieten, lehnte das Sozialministerium laut Güll "aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit" ab. Für ihn sind das nur Ausflüchte; er glaubt nicht, dass die Staatsregierung je ernsthaft in Erwägung gezogen hat, ihr Versprechen wahr zu machen. "Das war schnell dahingesagt. Damals war Wahlkampf."

Aus Sicht des Dachauer CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath hat sich die Sachlage seit 2013 grundlegend verändert: Wenn der Landkreis bis Jahresende 2000 weitere Flüchtlinge unterbringen müsse, sei die Debatte über eine feste Unterkunft für 124 Menschen nicht das Hauptthema. Entscheidend sei, dass die dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge untergebracht werden könnten. Für seinen Kollegen Anton Kreitmair ist die Zahl von etwa 60 Neuankömmlingen pro Woche im Landkreis schlichtweg "der Wahnsinn". Da könne man nicht auch noch höhere Wohnstandards fordern. Stattdessen müsse der Zuzug gebremst werden - auch im Interesse der Flüchtlinge, die schon aufgenommen worden seien. "Die Leute sollen bei uns ja auch glücklich werden."

Schon in der Vergangenheit wurden die Wohnverhältnisse in den 25 Jahre alten Baracken an der Kufsteiner Straße als katastrophal und menschenunwürdig gegeißelt. Angeblich sind einige Zimmer schon nicht mehr belegt, weil es hineinregnet. Zum 31. Oktober hat die Regierung den Pachtvertrag gekündigt, allerdings nicht wegen der Wohnverhältnisse. Mit dem Grundeigentümer war keine Einigung über die Pachtsumme zustande gekommen. Möglicherweise müssen die Bewohner nun auf andere Unterkünfte verteilt werden. Die sogenannten Fehlbeleger - das sind anerkannte Flüchtlinge, die aber keine Wohnung finden - gelten von 31. Oktober an als obdachlos; für ihre Unterbringung ist die Stadt Dachau zuständig. "Wir können die Leute nur auf die Warteliste setzen", sagt Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Was mit Bewohnern geschieht, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber in Deutschland geduldet sind, zum Beispiel weil ihre Herkunftsländer sie nicht wieder aufnehmen, ist unklar. "Das wissen wir auch nicht", sagt der OB.

Auf Grundlage der Erfahrungen anderer Städte sei davon auszugehen, dass etwa 50 Prozent aller Flüchtlinge dauerhaft in Dachau bleiben werden. "Deswegen denken wir auch über längerfristige Lösungen nach", sagt Hartmann. In der Praxis ist das aber oft gar nicht so leicht. "Baurechtlich sind die Hürden viel höher als bei temporären Bauten." Zu ihnen zählen auch Traglufthallen, wie sie bereits in Karlsfeld und Bergkirchen stehen. Dort leben bis zu 300 Menschen auf engstem Raum und ohne Privatsphäre zusammen; immer wieder gibt es dort Konflikte. Solchen Unterbringungen will Florian Hartmann in Dachau so weit wie möglich vermeiden. "Alles, was eine dezentrale Unterbringung ermöglicht, hilft uns."

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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