Dachau:Entdeckungen

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Balladenabend mit Florian Dengler und Stefan Wolitz

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Eines der erschreckendsten Lieder von Franz Schubert ist die Ballade "Der Zwerg". Die rätselhafte, schauerliche Handlung um den kleinwüchsigen Mann, der die junge Königin auf dem Meer mit einer roten Schnur erwürgen und dann versenken muss, könnte locker als Plot für einen Fantasy-Film dienen. Zumal sich die Königin, die einst den Zwerg um des Königs willen verlassen hat, so widerspruchlos-hoheitsvoll in ihr Schicksal ergibt. Doch eine Kinoleinwand würde nur stören, wenn die beiden Dachauer Künstler, Bariton Florian Dengler und Pianist Stefan Wolitz, mit faszinierender Vielseitigkeit in Gesang und Spiel dieses Drama um die schicksalsergebene und dennoch märchenhafte junge Frau erzählen.

"Der Zwerg" war unzweifelhaft ein Höhepunkt dieses Liederabends im Ludwig-Thoma-Haus. Das Konzert stand ganz im Zeichen der Ballade. Dengler und Wolitz zeigten mit ihrer sensiblen Programmauswahl die Entwicklung dieser Kunstgattung vom Tanzlied des 12. Jahrhunderts zum lyrisch-dramatischen Versepos an vielen schönen Beispielen. Das ist eigentlich noch nichts Besonderes. Außerordentlich wurde dieser Liederabend, weil das Duo die Erfahrungen jahrelanger Zusammenarbeit und die Lust am Neuen zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügte, starke Töne und empathisches Pianissimo inklusive.

Sänger und Pianist kosteten sicht- und hörbar die Herausforderungen eines Liederabends aus, spielten scheinbar unangestrengt mit Stimme und Instrument. Mini-Oper, Humoreske, Bänkellied, Psychogramm und großes Drama, Volkslied (die unsterbliche "Loreley") und fabelhafte, jazzige Anklänge ("Der Rattenfänger" von Hugo Wolf) zogen die Zuhörer förmlich in die Musik hinein. Tänzerisch-heiter kam Wolfgang Amadeus Mozarts "Verschweigung" daher, ironisch-tiefsinnig war Ludwig van Beethovens Parabel vom Floh, der sich zum Herrscher über die Menschen aufschwingt ("Aus Goethes Faust"). Geisterhaft, unheimlich, nebelverhangen ging es in Johannes Brahms "Schwesterlein" zu. Ein bemitleidenswertes Bild eines verzweifelten Liebenden zeichneten Sänger und Pianist mit "Der arme Peter" (Robert Schumann). Die gruselige Geschichte vom gotteslästerlichen Belsazar (Schumann) brannte Weltuntergangszenarien in die Gehirnwindungen.

Dass Dengler und Wolitz den viel zu selten zu hörenden Carl Loewe mit seinen epischen Dramenliedern angemessen würdigten, war für Anhänger dieses Komponisten eine besondere Freude. Endlich durfte der listige "Graf Eberhard" wieder "des Kaisers holdseliges Töchterlein" zum Tanze führen, konnte "Archibald Douglas" den Schottenkönig Jakob von seiner Treue überzeugen. "Tom der Reimer" folgte der Feenkönigin, und "Odins Meeresritt" war Wagner im Taschenbuchformat. Dabei galoppierten Dengler und Wolitz nicht durch den Abend. Vielmehr zeigten sie sich als wunderbare Erzähler. Einen würdigen Schlusspunkt setzten Sänger und Pianist mit ihrer Zugabe, Loewes so oft verkitschter "Uhr", in einer puristisch anmutenden Interpretation.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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