Freihandelsabkommen zwischen USA und EU:Endlich öffentlich

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Kommunalpolitiker und Landtagsabgeordnete im Landkreis lehnen das umstrittene Handelsabkommen TTIP quer durch die Parteien nicht pauschal ab. Sie begrüßen, dass die Geheimniskrämerei nicht mehr möglich ist

Von Viktoria Großmann, Dachau

Das Freihandelsabkommen TTIP ist sinnvoll und sollte weiter verhandelt werden, das finden sowohl der CSU-Landtagsabgeordnete und Präsident des Bauernverbands in Oberbayern Anton Kreitmair als auch die Grünen-Kreispolitikerin Marese Hoffmann. Zu diskutieren sind aber die Inhalte, auch da sind sich beide einig. Dass nun einige der Papiere öffentlich einsehbar sind, halten sie für gut. Denn vor allem die Geheimniskrämerei habe dem Ansehen des Abkommens schon lange vor Abschluss erheblich geschadet. Auch bei der Industrie- und Handelskammer erhofft man sich von mehr Offenheit im Umgang mit den Inhalten mehr "Akzeptanz in der Bevölkerung". Die Zeichen stehen hier eindeutig auf: weiterverhandeln. Aber wie?

Hoffmann denkt vor allem an die Selbstbestimmung der Kommunen. Städte und Gemeinden verfolgen die TTIP-Verhandlungen seit jeher mit Argwohn. Sie sorgen sich um ihre kommunalen Betriebe. Werden die Wettbewerbsregeln geändert, müssten sich die kommunalen Wasserwerke oder Abfallbetriebe zum Beispiel gegen private Anbieter behaupten. Als Beispiel aus dem kulturellen Bereich wird von Kritikern genannt, dass etwa Volkshochschulen nicht gefördert werden dürften, weil das eine Verzerrung zu Ungunsten privater Sprachschulen oder Kursanbieter sein könnte. Große Bedenken gibt es seitens der Kulturbetriebe. Die in Deutschland übliche staatliche Förderung für Museen, Theater, Ausstellungsräume könnte ebenfalls gegen von den USA verlangte Wettbewerbsregeln stehen.

Klare Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Lebensmittel

Landwirt Kreitmair interessiert sich für den Verbraucherschutz und das Auskommen kleiner und mittelständischer Betriebe. Zwar exportieren die im Landkreis ansässigen Bauern ihre Produkte nicht gerade nach Übersee. Aber veränderte Produktionsstandards oder mehr Importe würden sich auf ihre Verkäufe auswirken. "Wir brauchen keine landwirtschaftlichen Güter aus Amerika", sagt Kreitmair. "Das muss die Haltung bleiben." Gleichzeitig legt er großen Wert darauf, dass sich USA und EU auf Standards einigen, die gut sind für Mensch, Umwelt und natürlich die Wirtschaft. Denn sonst, sagt Kreitmair, könnten dem Markt asiatische Standards aufgedrückt werden, die schlimmstenfalls weit unter hiesigen Vorstellungen von gesunder Lebensmittelproduktion liegen.

"Wenn aus den USA mit künstlichen Hormonen belastetes Fleisch oder gentechnisch veränderte Lebensmittel importiert würden, müssten diese zumindest klar gekennzeichnet sein", sagt Hoffmann. Dann habe der Verbraucher wenigstens die Möglichkeit, sich dagegen zu entscheiden. Dass alles, was aus Amerika kommt, falsch ist, glaubt Hoffmann allerdings nicht. Auch die Haltung der EU sei nicht immer überzeugend. Das sogenannte Vorsorgeprinzip, dessen Einhaltung auch vom SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll gefordert wird, sieht Hoffmann auch von der EU nicht immer berücksichtigt. Gemeint ist damit, Umweltschäden vorzubeugen und Ressourcen zu erhalten. Als Beispiel nennt Hoffmann eine weitere Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

"Also weg damit"

Dass die Vorstellungen bei den Lebensmitteln zwischen Amerikanern und Deutschen nicht immer so weit auseinander liegen, wie es die Debatte vermuten lässt, zeigt auch die EU-USA-Öko-Äquivalenzvereinbarung, die im Februar 2012 unterzeichnet wurde. Damit werden die jeweiligen Biostandards gegenseitig anerkannt. Was in Europa als bio gilt, muss in den USA nicht nachzertifiziert werden und umgekehrt. Ausnahme: Fleisch- und Milchprodukte. Nach den strengeren Richtlinien in den USA ist im Biobetrieb der Einsatz von Antibiotika grundsätzlich verboten.

Kreitmair möchte sowohl als CSU-Abgeordneter, wie auch als Bezirkspräsident für Oberbayern im Bauernverband Einfluss auf die Verhandlungen nehmen. Die Lebensmittelsicherheit, so positionieren sich die Landwirte, dürfe nicht gegen die Interessen der Automobilindustrie ausgespielt werden. "Die roten Linien", sagt Kreitmair, "dürfen nicht überschritten werden." Darin ist er sich auch mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll einig. Das Abkommen, wie es nach derzeitigem Verhandlungsstand aussieht, lehnt Güll allerdings völlig ab: "Eine Verbesserung für die Menschen wäre das Freihandelsabkommen nicht. Also weg damit!"

Marese Hoffmann, selbst Landwirtin, kritisiert, dass die CSU in Bayern durchaus andere Ziele vertritt als in Berlin oder Brüssel. Sie mahnt vor allem, den Zeitdruck aus den Verhandlungen zu nehmen. Vielleicht sei ein großes Abkommen der falsche Weg. "Es könnten Teilpakete beschlossen werden." Als Diskussionsgrundlage empfiehlt sie, das ausverhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada genau zu studieren.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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