Dachau:"Eine angemessene rechtsstaatliche Reaktion"

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KZ-Gedenkstätte und Förderverein für Internationale Jugendbegegnung begrüßen Urteil gegen den rechtsradikalen Aktivisten Nikolai Nerling wegen Volksverhetzung

Das Gerichtsurteil gegen den rechtsradikalen Youtuber Nikolai Nerling ist in Dachau von Bürgerinnen und Bürgern, die in der Erinnerungsarbeit engagiert sind, begrüßt worden. Am Montag wurde der 38-Jährige vom Amtsgericht Dachau für schuldig befunden, bei einem Besuch des Gedenkorts im Februar dieses Jahres den Holocaust geleugnet zu haben. Er wurde wegen Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 10 800 Euro verurteilt. Der Kameramann, der ihn damals begleitet hatte, muss wegen Beihilfe in beiden Fällen eine Geldstrafe von 3000 Euro bezahlen.

In einer Pressemitteilung schreibt Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann, das Urteil stelle "eine angemessene rechtsstaatliche Reaktion auf die Leugnung der historischen Fakten über die nationalsozialistischen Verbrechen dar". Auch Andrea Heller, Geschäftsführerin des Fördervereins für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit, begrüßte das Urteil. Der Förderverein hatte als erster den Vorfall im Februar öffentlich gemacht. Nerling und sein Begleiter besuchten am 4. Februar die Gedenkstätte, offenbar in der Absicht ein Video gegen den "Schuldkult" zu drehen, wie das Gedenken an die Opfer des Holocaust in rechtsextremen Kreisen abwertend bezeichnet wird. Allerdings scheiterten die beiden an einer Referentin, die gerade auf dem Gelände mit einer Schülergruppe unterwegs war, und den selbsternannten "Volkslehrer" erkannte und zur Rede stellte. Sie verständigte die Verwaltung. Mitarbeiter riefen die Polizei und verwiesen Nerling und seinen Begleiter vom Gelände. Gabriele Hammermann weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Interviews und Filmaufnahmen "ohne ausdrückliche Erlaubnis der Gedenkstättenleitung" nicht gestattet sind. Bevor Nerling vom Gelände verwiesen wurde, äußerte er sich gegenüber den Schülerinnen und Schülern noch verharmlosend über die Verbrechen im KZ Dachau.

In der neunstündigen Verhandlung am Montag vor dem Amtsgericht Dachau sagte eine ganze Reihe von Zeugen aus, darunter auch viele der Schüler. Zwar habe Nerling nicht das Wort Holocaust ausgesprochen, "so schlau ist er", sagte Richter Lukas Neubeck in der Urteilsbegründung. Gleichwohl würden die Aussagen "in der Gesamtschau darauf abzielen, den Völkermord nicht nur zu verharmlosen, sondern auch zu leugnen". Nerling war in Berlin Grundschullehrer und wurde wegen seiner rechten Umtriebe gefeuert.

Zum Urteil in Dachau erklärte Hammermann weiter: "Die Gedenkstättenleitung sieht sich dadurch in ihrer Haltung bestätigt, auch zukünftig in ähnlich gelagerten Fällen mit entsprechenden Maßnahmen die Würde der Opfer des NS-Regimes zu verteidigen und weiterhin deutlich Haltung gegen rechtsradikales Gedankengut zu zeigen." Andrea Heller vom Förderverein, die den ganzen Prozess am Montag verfolgte, sagte: "Das Urteil ist das richtige Signal gerade aus Dachau, der Stadt, die sich als Lernort versteht."

Andrea Heller freute sich über die vielen Vertreter der Erinnerungsarbeit. Darunter Mitglieder des Zeitgeschichtsvereins "Zum Beispiel Dachau" sowie Referenten der Gedenkstätte, die ihrer Kollegin beistehen wollten, die im Februar Nikolai Nerling erkannt hatte und als Zeugin aussagte. Auch Mitarbeiter und Leiter der Bildungsabteilung der Gedenkstätte waren als Zeugen geladen. Etliche Besucher, darunter auch welche aus München, fanden in dem Gerichtssaal keinen Platz mehr und mussten wieder gehen.

In der Pressemitteilung dankt Gabriele Hammermann den vielen Aktiven in der Erinnerungsarbeit, die beim Prozess Solidarität mit der KZ-Gedenkstätte gezeigt hätten. Sie hätten damit ein Zeichen gesetzt, dass das Verhalten von Nerling in Dachau auf keinerlei Verständnis stoße.

Im Konzentrationslager Dachau und seinen zahlreichen Außenlagern waren zwischen 1933 und 1945 mehr als 200 000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert. 41 500 wurden ermordet oder starben an den Folgen von Hunger und Zwangsarbeit. "Die KZ-Gedenkstätte ist ein weltoffener Ort und steht allen interessierten Besucherinnen und Besucher offen, um einen Einblick in die Zeit und den Terror der nationalsozialistischen Herrschaft zu gewinnen und sich mit der Aufarbeitung dieser Thematik auseinanderzusetzen", schreibt die Leiterin Gabriele Hammermann.

© SZ vom 11.12.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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