Dachau:Die Welt vor der Haustür

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Eine Reise der Dachauer Kreisräte nach Brüssel soll den Europa-Gedanken auf kommunaler Ebene fördern

Von Robert Stocker, Dachau

Informationsreisen von Politikern werden von vielen Bürgern schon allein deshalb skeptisch beäugt, weil der Steuerzahler in der Regel für die Kosten aufkommen muss. Der Nutzen solcher Fahrten ist nicht in Euro und Cent zu beziffern, die Hotelkosten für die Teilnehmer dagegen schon. Und natürlich gibt es bei diesen Reisen eine gesellschaftliche Komponente, die sich im Begriff "Lustreise" widerspiegelt. Außer Spesen nichts gewesen, lautet der Verdacht.

Dieser Verdacht schwingt bei jeder Informationsreise mit, damit müssen Politiker leben. Doch in einer Welt, in der sich Krisen in fernen Ländern bis vor die Haustür auswirken, muss man auch über den Tellerrand blicken. Immer mehr europäische Gesetze wirken sich in den Kommunen aus, die Bestimmungen überschreiten Grenzen. Nur ein starkes, vereintes Europa könne die Herausforderungen meistern, und dieses Europa müsse schon auf lokaler Ebene beginnen, argumentiert Marese Hoffmann, Sprecherin der Grünen im Kreistag. Ein gemeinsames Europa von unten. Das müsse von den kommunalen Mandatsträgern vermittelt werden.

Das sehen auch die anderen Fraktionen im Kreistag so. Damit sie diesen Job besser hinbekommen, wollen sie im Mai nächsten Jahres für vier Tage mit dem Zug nach Brüssel fahren. Der Antrag der Grünen wurde einstimmig angenommen. Das Programm steht noch nicht im einzelnen fest; im Gespräch ist der Besuch des Europäischen Parlaments, der Bayerischen Landesvertretung und des Europabüros des Deutschen Landkreistags. Auch Gespräche mit Abgeordneten sind vorgesehen, eine Stadtführung und eine Besichtigung von Objekten, die einen Bezug zur kommunalpolitischen Arbeit haben. So sieht die bisherige Planung aus, die Landratsamtssprecher Wolfgang Reichelt im Kreisausschuss vorstellte.

Etwa 25 000 Euro sind im Haushalt für die Reise in die europäische Hauptstadt eingeplant. Die tatsächlichen Kosten hängen von der Teilnehmerzahl, der Unterkunft und möglichen Ermäßigungen bei den Fahrtkosten ab. Dass die Teilnehmer in einem Nobelhotel mit Schwimmbad und Whirlpool residieren werden, ist wohl eher unwahrscheinlich. Das wäre dem Steuerzahler kaum zu vermitteln, auch wenn sich die Fraktionssprecher darauf geeinigt haben, dass jeder Teilnehmer einen Eigenanteil von hundert Euro entrichten muss. Durch die Eigenbeteiligung rechnet die Verwaltung mit Einnahmen von etwa 2500 Euro. Wer kurzfristig sein Zimmer abbestellt oder lieber mit dem Auto fährt, muss für die Kosten aufkommen, die dadurch der Reisegruppe entstehen.

Landrat Stefan Löwl (CSU) steht hinter der Bildungs- und Gemeinschaftsreise. "Sie soll nicht am Geld scheitern", versicherte er im Kreisausschuss. CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Offenbeck verteidigt den Zweck der Reise nach Brüssel. Es sei gut, sich auf kommunaler Ebene mehr für die Europäische Union zu engagieren. Man dürfe nicht zuschauen, wie anti-europäische Kräfte ihr böses Spiel betreiben. "Wir müssen europäische Ideale vor Ort vermitteln", betonte Wolfgang Offenbeck. Dem hatte keiner etwas hinzuzufügen. Bleibt zu hoffen, dass dies jedem Teilnehmer durch die Reise nach Brüssel gelingt.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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