Dachau:Die Trainkids von Mexiko

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Schon 250 Mal hat Dirk Reinhardt aus seinem Roman "Trainkids" gelesen, der auf ausführlichen Recherchen über in die USA zu fliehen versuchende Kinder basiert. (Foto: pr)

Dirk Reinhardts liest aus seinem Roman über Kinder auf der Flucht

Von Katarina Machmer, Dachau

"Wer es hier nicht schafft, der hat Pech gehabt", sagt Fernando und meint eine der von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International als "gefährlichste Reise der Welt" beschriebenen Zugfahrten unzähliger Flüchtlinge quer durch Mexiko. Fernando, 16 Jahre alt, ist eine fiktive Figur aus dem vielfach nominierten Roman "Trainkids" von Jugendbuchautor Dirk Reinhardt - doch seine Geschichte und die seiner Freunde ist ganz und gar nicht fiktiv.

Ständig schlagen sich in Mexiko etwa 50 000 Kinder und Jugendliche bis in die USA zu ihren Familienangehörigen durch, die wegen der Chancenlosigkeit in der Heimat nach Arbeit im Ausland suchen. Die Kinder nehmen eine unvorstellbar lange Strecke in die Vereinigten Staaten als blinde Passagiere auf dem Dach von Güterzügen auf sich und müssen dabei Klima, Polizei und Banditen trotzen.

Der Schriftsteller Dirk Reinhardt hat die Hintergründe recherchiert und erzählt den neunten Klassen am Josef-Effner-Gymnasium davon als Einführung zu seiner Lesung aus "Trainkids", die er "etwa 250 Mal an verschiedenen Schulen" abhalten durfte, so Reinhardt. Nun findet sie passend zu Dachaus für mehr Toleranz plädierenden Interkulturellen Wochen "Einer für alle, alle für bunt" statt. Reinhardt zeigt neben dem Vortrag auch ein paar Fotos, denn er selber war zu Recherchezwecken für einige Wochen in Mexiko und begleitete dort in einem Mietwagen Flüchtlinge auf der Reise in den Norden. Ihre Erzählungen bilden die Basis des Romans, der von fünf Jugendlichen auf dem Weg in die USA erzählt. Anfangs ist es nur der 14-jährige Miguel als Protagonist aus Guatemala, der alleine loszieht, später trifft er dann aber auf die vier anderen und schließt sich mit ihnen zusammen: Fernando, Jaz, Ángel und Emilio.

Es ist sehr spannend, ihrer Geschichte zu lauschen, denn Reinhardt schreibt nicht nur fesselnd, er schildert erschreckend reale Tatsachen ohne Beschönigung, dafür aber mit viel Einfühlungsvermögen und emotionaler Wirkung. Seine ganz eigene Betonung der Worte schafft in Verbindung mit der ruhigen, ernsten und klaren Stimme die richtige Atmosphäre und gibt dem Zuhörer die Möglichkeit, sich in die Hauptfiguren hineinzuversetzen - ein Ziel, dass Dirk Reinhardt mit seinem Buch und den Lesungen verfolgt: Schüler sollen lernen können, Flüchtlingen "freundlich und verständnisvoll gegenüberzutreten".

Der Autor sagt: "Wozu die Armut manche Leute treibt und wie es in solchen Flüchtlingen aussieht, das steckt ja alles hinter der Abenteuergeschichte und regt zum Nachdenken an." Denn die in "Trainkids" thematisierten Missstände in Mittelamerika, die hierzulande, wie Reinhardt anmerkt, leider kein großes Thema sind, erschüttern. Sie veranlassen die Schüler dazu, interessiert Fragen zu stellen, die der Autor ausführlich beantwortet, bis die zwei Schulstunden vorbei sind. Am Ende bekommt Reinhardt einen großen Applaus, sogar Pfiffe und Rufe aus dem Publikum. "War gar nicht so schlecht", hört man die Schüler anerkennend murmeln. Es hat ihnen also gefallen.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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