Dachau:Die alten Linden

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Jeder Baum hat seine Geschichte, auch die alten Linden im Laubengang des Schlossparks. Lena Katharina Öttl hat die Erzählungen zusammengetragen. (Foto: Toni Heigl)

Die 21-jährige Geografiestudentin Lena Katharina Öttl erstellt eine Broschüre mit Geschichten und Sagen, die sich um viele Jahrhunderte alte Bäume ranken. Allein in der Stadt Dachau stehen 30 Naturdenkmäler

Von Johannes Korsche, Dachau

Langfristige Projekte beginnen oft mit dem Gedanken: "Man müsste doch mal . . . " Häufig genug bleibt es aber dabei. Selten wird die Idee umgesetzt, noch seltener, wenn sie viel Arbeit verspricht. Die 21-jährige Geografiestudentin Lena Katharina Öttl hatte diesen Gedanken, als sie im vergangenen Frühling im Keller des Dachauer Landratsamtes stand. Eine Dauerausstellung zeigt dort Fotografien von imposanten Bäumen aus dem Landkreis. Öttl dachte sich: "Man müsste doch mal all die Geschichten und Sagen zusammentragen, die sich um diese Bäume ranken." Sie absolvierte damals ein Praktikum bei dem Regionalentwicklungsverein "Dachau Agil", schlug dort ihre Idee vor und machte sich ans Werk. Das war im März. Sieben Monate später stellte sie jetzt das Ergebnis auf der Dachauer "Diva-Messe" vor: eine Broschüre, die Bilder und Geschichten zu ausgewählten Bäumen im Landkreis zeigt.

Alle Linden, Buchen und Eichen in der Broschüre sind Naturdenkmäler. Ein Naturdenkmal ist ein Landschaftselement, dessen Schutz wegen seiner "Seltenheit, Eigenart und Schönheit" oder wegen seiner "ökologischen, geschichtlichen, volks- oder heimatkundlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt". Im Landkreis finden sich 145 Naturdenkmäler, allesamt viele Jahrhunderte alte Bäume - alleine in der Stadt Dachau sind es 30. Zu Beginn wandte sich Öttl an die Bürger, sie sollten sich bei ihr mit Sagen und Anekdoten zu den Bäumen in ihrer Region melden. Die Geografiestudentin war davon überzeugt, dass die "mystische Aura", die einen alten Baum in ihren Augen umgibt, die Bewohner schon immer zu Sagen und Anekdoten inspiriert hat. Zudem stellte sie die Koordinaten der Bäume ins Netz und initiierte einen Fotowettbewerb, um Interessierte dazu zu animieren, die Bäume auch zu besuchen. Nach schleppendem Beginn nahm das Projekt Fahrt auf. So sehr, dass Öttl "in den Semesterferien keinen Tag Urlaub hatte". Sie musste Fotos sichten und Geschichten nachrecherchieren.

Eine Geschichte erzählt von der zweitältesten Linde im Landkreis: die Linde in Unterumbach. Sie spendet den Besuchern der Sankt-Martin-Kirche in der Ortsmitte bereits seit Generationen Schatten und Schutz vor Regen. In ihrem 300-jährigen Bestehen gab sie aber nicht nur Menschen Obdach: Bei einer Renovierung des einsturzgefährdeten Kirchturms wurde die Kirchenglocke kurzerhand in den Baum gehängt. Der Baum wurde zum Kirchturm.

Das Schicksal der Rotbuche in Randelsried zeigt, wie wichtig der sorgfältige Umgang mit den Naturdenkmälern ist. Vor mehr als zehn Jahren brannte die Rotbuche lichterloh. Jugendliche hatten versucht, ein Wespennest im Inneren des mehr als 400 Jahre alten Stammes auszuräuchern. Die Feuerwehr kam zu spät, um den Baum zu retten. "Schade, dass es die Rotbuche nicht mehr gibt", sagt Öttl. Die Broschüre, in der diese und noch mehr Geschichten, Sagen und Legenden zu den Naturdenkmälern zusammengetragen sind, ist demnächst im Dachauer Zollhäusl für einen Euro erhältlich.

Die 21-jährige Lena Katharina Öttl jedenfalls widmet sich jetzt wieder ihrem Geografie-Studium, das sechste Semester steht an. Im kommenden Semester wird sie ihre Bachelor-Arbeit schreiben. Auch bei der Themenwahl für ihre Abschlussarbeit bleibt die Studentin den Bäumen treu, zumindest ein bisschen: "Das Thema wird Nachhaltigkeit sein." Der aktuelle Begriff wurde bereits im frühen 18. Jahrhundert zum ersten Mal verwendet, und zwar in der Forstwirtschaft.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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