Dachau:Die 50er Jahre

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Neues Projekt der Geschichtswerkstatt

Die Geschichtswerkstatt startet ein neues Forschungsprojekt: die 50er-Jahre, eine Zeit, bei der gleich viele Bilder im Kopf entstehen: Petticoat und Pferdeschwanz, Jazz-Musik und Rock'n Roll, Urlaub in Italien, Neubau-Wohnsiedlungen und immer mehr Menschen, die sich ein Autos leisten können. Doch die 50er Jahre sind mehr als das Wirtschaftswunder. Es ist auch eine Zeit, in der die Erinnerungen an den Nationalsozialismus verdrängt wurden und doch weiter wirkten.

Mit dem neuen Forschungsprojekt führt die Geschichtswerkstatt das weiter, was sie vor fünf Jahren auf den Weg brachte: die Regionalgeschichte zu erforschen. Das Thema des ersten Projekts war die Nachkriegszeit. Als Annerose Stanglmayr, die Geschäftsführerin des Dachauer Forums, zusammen mit dem Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, damals noch Kreisheimatpfleger, das Projekt begann, hätte niemand gedacht, dass es ein solcher Erfolg werden würde: Eine Wanderausstellung, die an 16 Orten von vielen Besuchern angeschaut wurde, ein Buch mit Aufsätzen aus allen Gemeinden des Landkreises und ein reich bebildertes Ausstellungsheft sind das Ergebnis.

Für das neue Forschungsprojekt sind die Startbedingungen leichter. Inzwischen hat sich ein festes Team von ehrenamtlichen Forscherinnen und Forschern gebildet. Sie haben Kontakte zu Zeitzeugen geknüpft und sind darin erfahren, wie man recherchiert und Interviews führt. Außerdem ist die Geschichtswerkstatt vielen Menschen durch die Ausstellungen bekannt geworden.

Der größte Vorteil ist aber nach Aussage der Veranstalter, dass es für dieses Projekt einfacher ist, Zeitzeugen zu finden, weil sich viel mehr an die 50er Jahre erinnern können. Bei der Erforschung der Nachkriegsgeschichte war es viel schwieriger, noch Zeitzeugen zu finden. Etliche sagten: "Wärt ihr doch früher gekommen. Mein Vater hätte so viel erzählen können." Ob er auch bereit gewesen wäre, zu erzählen, weiß man nicht. Sehr lange wollten die Menschen nicht über das Kriegsende und die Nachkriegszeit reden. Dennoch konnten die Forscher und Forscherinnen noch viele Zeitzeugen befragen. Etliche sind inzwischen gestorben.

Das neue Forschungsprojekt heißt "Die 50er Jahre - Wirtschaftswunder und Verdrängung". Für dieses Projekt sucht die Geschichtswerkstatt noch Verstärkung für das Forschungsteam. Am 16. Februar geht es mit einem kostenfreien Einführungslehrgang los. Ein idealer Zeitpunkt für Neueinsteiger. Jeder, der sich für die Geschichte seiner Gemeinde interessiert, ist willkommen. "Für Einheimische ist es eine Chance, ihr Wissen zu vertiefen und für Zugezogene ist es eine gute Gelegenheit, in der eigenen Gemeinde heimisch zu werden und mehr über sie zu erfahren", sagen die Organisatoren. Das Forschungsprojekt wird von Projektleiterin Annegret Braun wissenschaftlich betreut.

In zehn Unterrichtsabenden vermitteln renommierte Referenten, darunter Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, Historiker Wilhelm Liebhart und der Dachauer Stadtarchivar Andreas Bräunling, Hintergrundwissen über die 50er Jahre. Schwerpunkte sind politische und wirtschaftliche Entwicklungen, Modernisierung, die Veränderung der Frauenrolle und der Familie, aber auch praktische Geschichtsforschung wie Interviewführung und Archivrecherche. Danach geht es ans eigene Forschen.

Die Themen sind breit gefächert: Was geschah nach dem Chaos der ersten Nachkriegsjahre? Wie gelang es den Heimatvertriebenen, in ihrem neuen Leben heimisch zu werden? Und wie veränderte sich die Arbeitswelt, als das Handwerk zurück ging und die Industriearbeit boomte? Weiter Themen sind zum Beispiel: Wie erlebten die Nachkriegskinder, die inzwischen zu Jugendlichen oder "Halbstarken" herangewachsen waren, diese spannende Zeit? Und wie wurde mit dem nationalsozialistischen Erbe umgegangen?

Die Geschichtswerkstatt möchte die 50er Jahre in all ihren Facetten und Widersprüchen erforschen. Das Team der ehrenamtlichen Forscher und Forscherinnen freut sich über jeden, der mitmacht.

Wer bei der Geschichtswerkstatt mitforschen möchte, der kann sich noch bis zum Mittwoch, 10. Februar, anmelden: Dachauer Forum, Ludwig-Ganghofer-Straße 4, Dachau, Telefon 08131/996 88-0, oder info@dachauer-forum.de.

© SZ vom 12.01.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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