Dachau:Der Stilist

Lesezeit: 2 min

Christian Baumgartner, Kirchenmusiker in Sankt Jakob, hat eine auserlesene Reihe von renommierten Solisten für die Vleugel-Orgel gewinnen können. (Foto: Toni Heigl)

Orgelprofessor Jürgen Essl und eine eindrucksvolle Reihe in Sankt Jakob

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Als Joseph Haydn bei einem Streichquartett-Abend in Wien Mozarts Vater Leopold traf, sagte er zu ihm: "Ihr Sohn ist der größte Komponist, den ich von Person und dem Namen nach kenne." Denn: "Er hat Geschmack und die größte Kompositionswissenschaft." Heutzutage ist der Geschmacksbegriff in den Hintergrund getreten. Hin und wieder aber drängt sich der gute alte Begriff wieder auf. Wie beim Konzert des Stuttgarter Orgelprofessors Jürgen Essl in Sankt Jakob.

Organisten sind ja in umfassenderem Sinn Interpreten als Geiger oder Pianisten. Denn sie haben quasi ein Orchester vor sich. Ein Dirigent muss sich nicht überlegen, welche Themen oder Begleitfiguren er von den Geigen oder von der Trompete spielen lässt, das hat schon der Komponist für ihn besorgt. Der Organist muss hingegen entscheiden, ob er ein sanftes Flötenregister oder das schnarrende Krummhornregal ziehen soll, ob er sich für strahlenden Prinzipalklang oder für charakteristische Registerverbindungen entscheiden soll. Das sind auch Geschmacksfragen.

Jürgen Essl spielte zunächst Bach, nach dem groß angelegten Werk Präludium und Fuge e-Moll BWV 548 die überaus umfangreiche Partita sopra "Sei gegrüßet, Jesu gütig", die als "die bedeutendste Partita der ganzen Orgelliteratur" gerühmt wird. Auf den vierstimmig gesetzten Choral folgen elf Variationen spieltechnisch und inhaltlich unterschiedlichster Art, von der Koloratur-Arie der ersten Variation und heftig auffahrenden Sechzehntel-Läufen bis zu ruhigen, weit ausschwingenden Linien. Essl spielte das große Werk im dosierten Wechsel von Flöten- und Zungenregistern. Die Variationen waren farbig, aber nie grell oder manieriert.

Anschließend stellte er sich als Komponist vor. In einer kurzen, dabei sehr guten Einführung erläuterte er seine "Dialoge opus 16" als Gespräche zwischen ihm und Komponisten längst vergangener Zeiten oder als Dialog mit bestimmten Instrumenten. Sein "Capriccio sopra la serenità", also ein kapriziöses Werk über die Heiterkeit oder Gelassenheit, hat er für die Einweihung einer italienischen Barockorgel in Treviso geschrieben. Er hält sich in seiner Komposition an die sehr beschränkten Möglichkeiten einer einmanualigen Barockorgel, orientiert sich an Frescobaldi und schreibt doch eigenständige Musik. Sein zweiter Dialog spielt sich zwischen ihm und dem französischen Barockkomponisten Louis Couperin ab und der dritte ist sein Gespräch mit einer norddeutschen Barockorgel. Er wählte dafür die vor allem bei Dietrich Buxtehude beliebte Form der Chaconne. Ihr Geheimnis liegt darin, dass die Verfremdungen der Barockmusik durch Essl zwar unüberhörbar, aber doch unaufdringlich sind.

"Final op. 21" von Cesar Franck ist nicht als pompöses Finalstück, als "Rausschmeißer" zu verstehen, sondern als das letzte einer Serie von sechs großen Orgelwerken. Er stellte Francks "Final" als großes, farbenprächtiges und virtuoses Werk dar und beeindruckte mit einer mitreißenden Interpretation. Das Stück kam wohl gerade deshalb zu so großer Wirkung, weil Essl eben nicht vordergründig imponieren wollte. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Man muss ihn erst mal haben. Kirchenmusiker Christian Baumgartner ist es gelungen, eine Reihe in Dachau zu etablieren, welche die Nuancen des Orgelspiels ausbreitet. Den Auftakt machte Virtuose Alessandro Bianchi. Es folgte Stilist Josef Essl.

Am Montag, 13. Juli, 20 Uhr, kommt mit der Ungarin Zsuzsa Elekes eine der Großen des Orgelspiels.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: