Dachau:Der Rebell

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Henning Sedlmeir im Dachauer Café Gramsci. (Foto: Toni Heigl)

Henning Sedlmeier begeistert im Café Gramsci mit harter Schlagermusik und skurrilem Spektakel

Von Sophia Dittmann, Dachau

Ein Rock'n'Roller zum Pferde stehlen und Banken ausrauben. Gleichzeitig hat er das schmierige und affektierte Gehabe eines schillernden Schlagerstars. Die Rede ist dabei von keinem geringeren als dem Vater des eigens kreierten "Hard Schlagers": Henning Sedlmeir. Als "Perle der Skurrilität" kündigte das Tollhaus Dachau seinen Gast aus Berlin im Dachauer Café Gramsci an. Mit E-Gitarre, Retro-Future-Elektronik und einer Vorliebe für schmutzige Rebellenmusik, die stark an die 1980er Jahre erinnern lässt, besetzt Sedlmeir mit der "harten Schlagermusik" seine ganz eigene Nische im Showgeschäft.

Im Café Gramsci mit familiärem Ambiente und gedimmtem Schummerlicht betritt der Mann mit Elvis-Tolle und Achtziger Jahre Schnauzer die kleine Bühne. Als der Berliner sich noch mit Hilfe einer kurzweiligen "Power-Point-Präsentation von 1970" vorstellen will, merkt man als unwissender Zuschauer bereits von der ersten Sekunde an, Henning Sedlmeir ist mit einem Augenzwinkern zu genießen. Oder zwei. In seinem bereits fünften Solo-Album "Melodien sind sein Leben" singt der großartige Spinner in zwölf Liedern über eine ebenso große Bandbreite an Themen.

In Dachau gab der Berliner von dem jüngsten Album seine Stücke zum besten, wie das an die verkorkste Jugend gerichtete Appell "Schande", "Regionalexpress" oder das "Ewige Spannungsverhältnis Sedlmeir-Presley". Seine Texte sind dabei unverblümt, plakativ und durchaus unter der Gürtellinie. Treffend zu den oft dadaistisch-anmutenden Texten, werden bewegte schwarz-weiß Bilder mit 80er Jahre Retrocharme auf eine Leinwand projiziert. So kommt es auch mal vor, dass während Sedlmeir seinen Song "Menschen brauchen Rock'n'Roll" auf der E-Gitarre schmettert, sich im Hintergrund Szenen aus dem 1954 erschienen Horrorklassiker Godzilla abspielen, in denen der berühmte Monstersaurier eine komplette Stadt kurz und klein macht. Sedlmeir legt getreu dem Titel seines jüngsten Albums während des ganzen Auftritt stets großen Wert auf eine gute Melodie, so simpel und einschlägig wie der Großteil seiner Stücke auch aufgebaut scheinen. Neben Drumstation und E-Gitarre heizt er mit Rasseln und Schellen dem Publikum ein und fordert alle zum lauten "Mitgrölen" auf.

"Das nächste Lied habe ich wie üblich mit Anzug und Krawatte in der Badewanne geschrieben", raunt die One-Man-Band mit schwarzem Anzug, Schlips und feuerroter E-Gitarre ins Mikrofon, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Mit der selbstsicheren Pose eines Schlagersängers und viel schwarzen Humor feuert der großartige Spinner diesen Misch aus Comedy, Kunst, Musik-Unterhaltung, Satire und Flashback in die 1980er Jahre dem dreißigköpfigen Publikum eine gute Stunde lang um die Ohren. Während man denkt der charmante Freak hätte das Skurrilste aus verschiedensten Musikstilen ausgepackt, setzt der selbst ernannte "Hard Rock Roboter" noch einen drauf. Die Zuschauer fühlten sich bei diesem Spektakel sichtlich gut unterhalten, wenn auch Sedlmeir die Stimmung mit Elvis Presleys 1976 vergleicht. Mit viel schwarzem Humor, versteht sich.

Nach tosendem Applaus ließ sich der vermutlich härteste Schlagersänger der Welt nicht lange von dem Publikum bitten, und kam für zwei Zugaben zurück auf die Bühne. Zum krönenden Abschluss des Abends machte Sedlmeir den Klamauk perfekt und spielte noch das Schlagerstück "Wunderbar" welches natürlich mit voller Absicht als herrliches Vollplayback mit eindeutigen, klischeehaften Posen und Attitüden aus der Schlagerszene präsentiert wurde.

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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