Dachau:Der neue Grundton

Lesezeit: 2 min

Karl Well ist der ruhige, stoische unter den Wellbrüdern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wie der stille Karl die Wellbrüder prägt

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Solche Pointen sitzen mühelos: Es gibt Frauen, die Haare auf den Zähnen haben. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat auf jedem einzelnen eine ganze Frisur. Oder: Markus Söder, der bayerische Finanzminister, von dem man weiß, dass er Ministerpräsident im Freistaat werden will, ist ein staatlicher Mann, aber der Kopf versaut alles. Der Dauerwitz der Kommunalpolitik, dass Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) irgendwie wirkt, als ginge er noch zur Schule, animiert das Ludwig-Thoma-Haus ebenfalls zu einem heftigen Lacher. Auch der Hinweis, dass an den Schulen die mathematische Größe der Unendlichkeit anhand der Dauerdebatte über eine angeblich dringend benötigte Umfahrung für Dachau geführt wird, erfreut die Zuschauer ungemein. Bekanntlich drängt ein Großteil der Kommunalpolitik seit Jahrzehnten vergeblich auf eine weiträumige, neue Trasse von Schwabhausen über Pellheim zur Autobahnauffahrt Oberschleißheim.

Die Wellbrüder aus'm Biermoos waren innerhalb von wenigen Monaten dreimal zu Gast im Landkreis, zuerst in Karlsfeld zur Jubiläumsfeier des Bundes Naturschutz (ausverkauft), dann auf der Kleinkunstbühne der Post in Schwabhausen (ausverkauft) und jetzt in der Reihe "Kultiges Dachau" von Jan-Peter Wiebe im Thoma-Haus (ebenfalls ausverkauft). Christoph, Karl und Michael setzten die Geschichte der fiktiven und für Bayern gleichzeitig exemplarischen Gemeinde Hausen als Dauerbrenner mit neuen Episoden fort, quasi als satirisches Pendant zur Fernsehserie "Dahoam is Dahoam", die in Dachau auf einer Industriebrache gedreht wird. Damit schaffen sie eine Folie, auf der man die hiesige Politik wunderbar süffisant spiegeln kann.

Es kann aber auch passieren, dass die Realität die Satire überholt: Gegenüber der städtischen Millionen-Investition in das Ludwig-Thoma-Haus für einen komplett neuen Brandschutz samt Sprinkleranlage und eines technisch komplizierten Einbaus von Wasserbehältern nimmt sich der Brandschutzeifer der Hausener Feuerwehr wegen eines fehlenden Fluchtwegs im Kindergarten harmlos aus. Beim Thomahaus fragt man sich heftig irritiert, warum es seit mehr als 50 Jahren das zentrale Veranstaltungsforum der Stadt sein darf.

Wie gesagt, nicht nur Hans Well, auch Christoph und Michael sind nach dem Ende der Biermösl Blosn Meister der Pointen geblieben. Es ist schon oft über sie geschrieben worden, dass die neuen Texte subtiler sind als früher. Ihr Programm besteht teilweise aus der Münchner Kammerspiel-Aufführung "Ekzem Homo" mit Gerhard Polt. Auch nimmt die Musik eine größere Rolle ein, weil die Beiträge teilweise konzertant sind. Aber in Dachau ist einem Teil des wellkundigen Publikums besonders Bruder Karl aufgefallen.

Für einige Zuhörer, welche die gesamte Familie schon aus Zeiten kennen, als Berti Well die historische Wirtschaft Rothenfußer in Kleinberghofen (dem heutigen "Freudenhaus") betrieb und damit vor mehr als 30 Jahren die Kleinkunst in den Landkreis Dachau brachte, "war der Karl ein toller Musikant, der aber sonst immer sehr ruhig war". Nach dem Auftritt im Thomahaus sagten die Experten: "Der Karl hat seine Rolle gefunden."

Ruhig ist er zwar immer noch. Aber jetzt steht er mienenlos stoisch zwischen seinen vor Spiellaune und Improvisationslust sprühenden Brüdern, die auf Trompete und Tuba als Solisten glänzen, und gibt auf der Diatonischen den tiefen Grundton an. Es ist der Grundton eines melancholischen Clowns. Und dann sagt Karl Well, dass man in der Finsternis nicht so weit sieht wie in der Helligkeit. Solche dadaistisch anmutenden Tautologien platzen aus ihm eruptiv heraus. Dann schweigt er wieder. Dabei ist es doch tatsächlich so, dass Menschen, die sich verfinstern lassen, die Weitsicht abgeht. Solche kurzen Szenen sind zum Lachen. Aber nicht im Sinne einer Satire, die attackiert. Am Ende des Dachauer Abends sagt Christoph Well, dass man viel Humor braucht, um die Welt heutzutage auszuhalten - vor allem den unbesiegbaren Tod, den unbesiegbaren FC Bayern und vieles mehr.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: