Dachau:Der Feind von nebenan

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Selbst sieben Zeugen können Nachbarschaftsstreit nicht aufklären. Prozess vertagt

Von Benjamin Emonts, Dachau

Wenn es um Finanzielles oder Eigentum geht, hört die Nächstenliebe bekanntlich auf. Nachbarschafts- und Mietstreitigkeiten enden deshalb oft in einer Schlammschlacht, die nur ein Gericht zu entscheiden vermag.

Denn die Fronten sind schlicht zu verhärtet und der Stolz der Betroffenen zu verletzt, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Besonders deutlich wurde das nun bei einem geradezu konfusen Prozess am Amtsgericht Dachau, der von widersprüchlichen Zeugenaussagen geprägt war und dessen Urteil nach vierstündiger Verhandlung vertagt werden musste. Die Streitenden sind ein 68-jähriger Mann und eine 46-jährige Frau, die ihm eine Wohnung vermietet hatte, aus der sie ihn inzwischen rausgeworfen hat. Der 68-jährige Angeklagte zahlte der Frau über einen längeren Zeitraum keine Miete. Die 46-Jährige beanspruchte für sich daher das Vermieterpfandrecht. Sie wollte Eigentum des Mannes gepfändet wissen, um die Mietschulden einzuholen. Der Mann soll ihr zufolge aber mehrmals sein Eigentum aus der Wohnung geschafft haben, damit ihm nichts genommen werden kann. Auch die Polizei musste schon öfter eingreifen. Am 16. Mai 2015 eskalierte der Streit dann vollends. Die Vermieterin wollte den Angeklagten aufhalten, nachdem er die Wohnung nach einem kurzen Abstecher mit einer Sporttasche verließ. Was dann genau geschah, konnte selbst nach der Befragung von sieben Zeugen nicht abschließend geklärt werden. Vor dem Wohnhaus jedenfalls muss es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Streitparteien gekommen sein. Nachdem die Frau den Mann aufgefordert hatte, die Tasche stehen zu lassen, soll er die 46-Jährige laut Anklageschrift an den Haaren gezogen, getreten und ihr ein Tierabwehrspray ins Gesicht gesprüht haben. Zwei Männer kamen der Frau zu Hilfe. Auch sie bekamen angeblich das Reizgas ab. Außerdem soll der Angeklagte, der als ehemaliger Jäger im Besitz von Waffen sein soll, allen gedroht haben, sie zu erschießen. Zuletzt habe er versucht, einen der Männer mit einer leeren Glasflasche zu attackieren. Die Anklage lautete auf gefährliche Körperverletzung, Körperverletzung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Bedrohung. Der 68-Jährige bestritt die Vorwürfe aber vehement und will selbst geschlagen worden sein.

Die Vermieterin und ihre zwei Helfer traten in dem Prozess als Zeugen und Nebenkläger auf. Sie erschienen ohne Anwalt und mussten vom Gericht immer wieder zurechtgewiesen werden. Ihre Aussagen über den Tathergang widersprachen sich in entscheidenden Details.

Schließlich sagte eine weitere Frau aus, die in dem Wohnhaus gelebt hat. Sie ergriff klar Partei für den Angeklagten, obwohl sie sich bei der Polizei völlig anders geäußert hatte. Zu dieser Falschaussage habe sie die Vermieterin gedrängt mit der Drohung, ihr die Wohnung zu kündigen. Der Ehemann der Frau aber wollte davon nichts wissen, wodurch sich der Verdacht erhärtete, dass die Zeugin sich an ihrer ehemaligen Vermieterin rächen wollte. Ein anderer Zeuge schilderte wiederum, dass der Angeklagte als Aggressor aufgetreten sei. Für Amtsrichter Tobias Bauer blieben zu viele Fragen offen. Zur Fortsetzung der Verhandlung in zwei Wochen werden sechs weitere Zeugen und ein Sachverständiger geladen. Die Schlammschlacht geht also weiter.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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