Dachau:Der Beharrliche

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Für Erwin Deffner findet an diesem Dienstag ein Empfang von zehn bis 14 Uhr bei der Familie Mai in der Thomas-Schwarz-Straße 1 in Dachau statt. (Foto: Toni Heigl)

Der ehemalige Kreisbaumeister Erwin Deffner und sein Einsatz für den ländlichen Raum. Erinnerungen zum 90. Geburtstag

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Verschwiegen schmiegt sich das Haus von Erwin Deffner an den Stadtfriedhof. Es wirkt bescheiden, zurückhaltend und mit seinem steilen Dach gerade mal für eine kleine Familie geeignet. Tatsächlich wohnt der ehemalige Dachauer Kreisbaumeister und frühere CSU-Politiker dort großzügig mit seiner Frau einschließlich der gesamten Familie seines Sohnes Kilian. Bei der Begrüßung am Gartenaufgang sagt Erwin Deffner zum staunenden Hinweis, dass es sich bei dem Gebäude anscheinend um eine Deutung des Dachauer Hauses der Vergangenheit handelt, selbstbewusst lachend: "Was denn sonst?"

An diesem Dienstag, 28. Juni, wird Erwin Deffner 90 Jahre alt und feiert im Kreis seiner drei Kinder und sieben Enkel. Das ist die private Seite eines langen Lebens. Die öffentliche lässt einen Blick auf die gesamte Nachkriegsgeschichte in Dachau zu, in diesem Fall auf die planerische und architektonische Gestaltung. Wenn heute von der Bewahrung des ländlichen Raums geschwärmt wird und der Verein Dachau Agil im Auftrag der gesamten Kommunalpolitik sogar das Hinterland bis Altomünster touristisch bewirbt, muss daran erinnert werden, dass der Landkreis Glück hatte.

Denn im Landratsamt gab es 40 Jahre lang bis zur Pensionierung am 31. März 1990 einen Architekten und Tiefbauingenieur in Personalunion, der den mühevollen Kampf gegen Eternit-Einheitsbauten, bäuerliche Stadel, die ausgeschaut hätten, als wären sie Baracken, oder gegen all die modischen Schnellbautrends der sechziger, siebziger bis hinein in die achtziger Jahre aufgenommen hatte. Nicht immer erfolgreich, aber wie Deffner zurückblickend sagt. "In der Bilanz doch erfolgreich."

Obwohl: Das Wort "Kampf" ist für seine Art der Gesprächsführung etwas zu laut. Er ist leise und beharrlich. Der Inbegriff dieses Werbens, dörfliche Strukturen zu bewahren, ist das Dachauer Haus. Es ist ebenfalls leise. Die räumliche Größe versteckt es unter einem Steildach. Es ist typisch für die nördliche Region Münchens insgesamt. Und der 90. Geburtstag ist ideal, um auf die Zeit als Kreisbaumeister zurückzublicken.

Damals, in den fünfziger und sechziger Jahren, also in den Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs der Nachkriegszeit, gab es im Landkreis so gut wie keine Architekten. Einige wenige kümmerten sich vor allem um die Stadt. Der ländliche Raum war verwaist. Nicht nur Erwin Deffner begann darüber nachzudenken, was man den Bürgern in den Dörfern als Ideen anbieten könnte, die für sie einleuchtend sind und die überzeugend wirken. Gemeinsam mit damals jungen Architekten wie Michael Putke aus Markt Indersdorf, den Deffner als Weggefährten bezeichnet, begann er ein Vorbild zu entwickeln. Es sollte einerseits typisch für die Region sein, andererseits sich auch weiter entwickeln lassen. So wie das Haus von Erwin Deffner selbst aus den fünfziger Jahren, das er als gelernter Maurer eigenhändig baute. Am Stadtfriedhof steht also der Prototyp.

Nach einem langen beruflichen Leben und zahlreichen Ehrenämtern vor allem in der katholischen Kirche mischt sich Erwin Deffner nicht mehr ein. Die Öffentlichkeit hat er eh nie gesucht. CSU-Stadtrat ist er nur geworden, weil der Königsmacher der CSU in der Nachkriegszeit, Josef Lerchenberger, ihn wegen der engen Verbindung zur Kirche für die Kommunalpolitik eingenommen hatte. Und als Vorsitzender der CSU-Fraktion im Stadtrat war er der Mann, der im Vorfeld der Diskussionen den Konsens auch mit dem städtischen Bauamt suchte. Erwin Deffner sagt von sich selbst: "Ich war nie ein Politiker."

Ihn faszinieren Ideen. Deffner schwärmt von der Zeit, als Walter Weber unter Oberbürgermeister Lorenz Reitmeier bis 1983 Stadtbaurat war. "Ein Mann mit eigenen Vorstellungen." Vieles, was heute an Dachau noch als städteplanerisch gelungen gilt, stammt noch von ihm. Aber Erwin Deffner ist kein Traditionalist. Er schaut nicht wehmütig in die Vergangenheit. Angesichts des Ballungsraums München und des Siedlungsdrucks weiß er, "dass man heute nicht mehr so bauen kann" wie noch zu seiner Zeit. Die Frage indes, ob es denn so rationell, schematisch und nach dem maximalen Profit ausgerichtet zugehen muss, wie gerade im Landkreis, beantwortet Deffner mit einem leisen Lächeln.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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