Dachau:Das Problem mit den Problemkindern

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Immer mehr junge Menschen haben soziale Defizite. Lehrer sehen sich überfordert und bitten den Staat um Hilfe. Der Landkreis baut jetzt die Sozialarbeit an Schulen aus - die Kosten trägt der Steuerzahler

Von Robert Stocker, Dachau

Familiäre Probleme, Gewalt, Gesetzesverstöße - immer mehr Kinder und Jugendliche sind sozial auffällig. Lehrer klagen, dass in vielen Klassen ein regulärer Unterricht nicht mehr möglich sei. Sie sehen sich überfordert und rufen nach staatlicher Hilfe. Externe Pädagogen sollen sich möglichst frühzeitig um problematische Kinder kümmern. Der Landkreis will deshalb die Jugendsozialarbeit an Schulen ausbauen. Größten Bedarf sieht das Jugendamt an der Grundschule Markt Indersdorf, der Grundschule Dachau-Ost, der Grundschule Dachau-Augustenfeld, der Grund- und Mittelschule Altomünster und an der Weichser Grundschule. Die sechs Schulen sollen sich drei Vollzeitstellen für Sozialpädagogen teilen. Werden die Stellen von den Behörden genehmigt, teilen sich Freistaat, Landkreis und Kommunen die Kosten. Bedarf für Jugendsozialarbeit melden noch weitere Einrichtungen wie etwa die Realschule Dachau an. Doch dies hat der Kreisausschuss abgelehnt.

Die Jugendsozialarbeit an den Schulen soll Eltern möglichst früh bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützen. Es gehe darum, Probleme früh zu erkennen, um etwa eine Heimunterbringung zu vermeiden, sagte Jugendamtsleiter Ulrich Wamprechtshammer im Kreisausschuss. Das Jugendamt könne Eltern problematischer Kinder durch die Jugendsozialarbeit besser erreichen. Wamprechtshammer verwies darauf, dass Jugendsozialarbeit nur für Kinder, Jugendliche und Familien gedacht ist, die besonders große Probleme haben. Sie könne nicht den Auftrag der Schule erfüllen, alle Kinder zu fördern und ihnen bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihres Charakters zu helfen. "Es ist falsch zu glauben, Schule funktioniert nicht mehr ohne Sozialarbeit", unterstrich der Leiter des Jugendamts.

Grundlage der Entscheidung, an welchen Schulen der Landkreis Jugendsozialarbeit anbietet, ist die sogenannte Sozialraumanalyse. Sie wurde für den Zeitraum von 2011 bis 2013 fortgeschrieben und geht der Frage nach, in welchen Gemeinden der Jugendhilfebedarf am größten ist. Kriterien dafür sind die Zahl von Jugendgerichtshilfefällen, Kinder, die von Scheidungen der Eltern betroffen sind, Kinder, die bei einem allein erziehenden Elternteil leben, allein erziehende Bezieher von Sozialleistungen oder Eltern, die erzieherische Hilfen brauchen. Für die Beurteilung des Bedarfs für Jugendsozialarbeit spielen auch die Erfahrungen von Fachkräften des Jugendamts eine Rolle, die im Allgemeinen Sozialdienst tätig sind. "Man muss sehen, wo wirklich Probleme da sind und ein signifikanter Bedarf besteht", sagte Wamprechtshammer im Kreisausschuss. Das Jugendamt kommt zu dem Ergebnis, dass dies besonders in Markt Indersdorf, Dachau, Altomünster und Weichs der Fall ist. Aus der vorigen Sozialraumanalyse für Dachau geht hervor, dass es in Dachau-Ost und Augustenfeld besonders viele Familien gibt, die vom Jugendamt erzieherische Hilfe erhalten. Nach Einschätzung von Fachkräften des Jugendamts gibt es diese "Ost-West-Signifikanz" in der Stadt noch immer.

Der Kreisausschuss folgte der Empfehlung des Jugendamts, an der Grundschule Markt Indersdorf, der Grundschule Dachau-Ost, der Grundschule Dachau-Augustenfeld, der Grundschule Altomünster, der Mittelschule Altomünster und an der Grundschule Weichs Jugendsozialarbeit anzubieten. Jede Schule erhält eine halbe Stelle. Für die Dachauer Realschule wurde kein dringlicher Bedarf gesehen, Sozialarbeit an Gymnasien lehnt der Landkreis ab. Werden die insgesamt drei Vollzeitstellen genehmigt, zahlen Freistaat und Landkreis eine Förderung von je fast 50 000 Euro. Die Kommunen müssen den Restbetrag finanzieren. Der Landkreis will aber nur einen Zuschuss leisten, wenn dies auch der Freistaat macht. Wenn nicht, soll gesondert darüber beraten werden, ob er den Förderanteil des Freistaats übernimmt. Außerdem prüft die Verwaltung den Vorschlag der SPD-Fraktion, eine "Mobile Reserve" von Sozialpädagogen für Schulen zu schaffen, an denen es bisher keine Jugendsozialarbeit gibt.

© SZ vom 26.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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