Volksfeststart in Dachau:Bierdusche und Kaiserwetter

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Der Auftakt des Dachauer Volksfestes verläuft rundum heiter: Oberbürgermeister Florian Hartmann kühlt beim Anzapfen einige Gäste ab, mehr als tausend Zuschauer verfolgen den Umzug zur Thoma-Wiese

Von Benjamin Emonts, Dachau

Anfangs macht Oberbürgermeister Florian Hartmann bloß Gaudi, als er den Zapfhahn falsch herum ansetzt und mit einer Handbewegung andeutet, dass die Zuschauer gleich eine Bierdusche abkriegen könnten. Als er dann wirklich zuschlägt, wird es ernst. Aus dem Fass spritzt eine stattliche Fontäne, die direkt auf der Kluft des Dachauer Gauschützenmeisters Alfred Reiner landet. "Ich hab seine Uniform ruiniert", sagt Hartmann später. "Ich habe mich aber erkenntlich gezeigt, falls es Probleme mit der Versicherung gibt."

Das alljährliche Ritual des Anzapfens verläuft am Samstagmittag ebenso heiter wie der Wiesn-Einzug, den nach Schätzung von Volksfestreferent Robert Gasteiger deutlich mehr als Tausend Zuschauer verfolgen. Auch in diesem Jahr erwartet die Stadt Dachau wieder 300 000 Besucher auf dem Volksfest, das nicht zuletzt wegen seines günstigen Bierpreises (5,70 Euro pro Mass) zu den beliebtesten in ganz Bayern zählt. Für Hartmann, mit 29 Jahren Deutschlands jüngster Oberbürgermeister, ist es bereits das dritte Mal in seiner Amtszeit, dass er das erste Fass Bier dort ansticht und das obligatorische "O'zapft is" verkündet. Bei seinem ersten Versuch benötigte der Sozialdemokrat und gebürtige Dachauer lediglich zwei Schläge, er landete damit einen Achtungserfolg, der manchem CSUler ein gezwungenes, aber anerkennendes Lächeln abrang. Beim zweiten Mal waren es dann schon deren drei. Nun also vier Schläge und eine Hand voll nasser Festgäste. Hartmann kommentiert seine Leistung mit Humor: "Man muss sich immer steigern. Zumindest kann ich mich jetzt wieder in die andere Richtung bewegen."

Fotos vom Trachtenverein

Zur heiteren Stimmung an diesem Mittag tragen der strahlend blaue Himmel und Temperaturen von weit mehr als 20 Grad Celsius bei. Den Umzug auf die Festwiese beobachten mehr Zuschauer als im vergangenen Jahr. Sie applaudieren und schießen mit ihren Smartphones Fotos von den Trachten- und Schützvereinen aus Dachau. Von der politischen Prominenz bekommen sie kleine Blumensträuße entgegen geworfen - es wird gewunken und gelächelt, das Kaiserwetter lädt zur guten Laune freilich ein.

Volksfestreferent Robert Gasteiger, ein waschechter Bayer in der Kluft des Dachauer Trachtenvereins D'Ampertaler, fährt den Politkutschen in der Erntekrone voraus. Ihm folgt Oberbürgermeister Hartmann, den einen Arm auf die Kutsche gelehnt, mit dem anderen lässig winkend. Sein Gegenüber, ein fescher Mann mit dem klangvollen Namen Giulio Cesare di Manno, dienstältester Stadtrat von Dachaus Partnerstadt Fondi, wirkt dagegen noch etwas schüchtern, obwohl es bereits sein siebtes Volksfest ist und sein Vorname verdächtig nach dem des stets siegessicheren Julius Caesar klingt. Den Zuschauern wirft Giulio Cesare immer wieder das zurückhaltende, aber freundliche Lächeln eines italienischen Gentleman zu. Im Beisein seiner sechsköpfigen Abordnung aus Fondi gibt sich der 50-Jährige später begeistert: "Ich fühle mich hier immer sehr wohl und bestens aufgenommen bei alten Freunden. Man merkt, dass die Leute hier viel Wert auf Gastfreundschaft und ihre Tradition legen."

"Eine tolle und offene Atmosphäre"

Im Gespann dahinter sieht sich der Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll mit einer schwarzen Übermacht konfrontiert. Neben ihm sitzen die Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath, Anton Kreitmair und Bezirkstagspräsident Josef Mederer, allesamt CSU. Vielleicht aus Solidarität, vielleicht aus modischem Bewusstsein tragen Seidenath und Mederer, ebenso wie Güll, eine rote Trachtenweste. Womöglich eine freundschaftliche Geste für den Sozialdemokraten?

Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Beate Walter-Rosenheimer, die ein Büro in Dachau hat, freut sich jedenfalls, dass Parteipolitik ausnahmsweise keine Rolle spielt, als sie mit ihrer CSU-Bundestagskollegin Gerda Hasselfeldt und deren Parteifreund Landrat Stefan Löwl den Altstadtberg hinabkutschiert wird. Sie ist beim großen Einzug zum ersten Mal dabei. "Total schön", schwärmt sie, "eine tolle und offene Atmosphäre."

500 Rosen für Frauen und Kinder

Im großen Festzelt angekommen, klopfen etwa 200 Ampertaler mit ihren Wanderstöcken auf den Holzboden des großen Festzelts, während die Thoma-Musikanten den Marsch blasen. Die Ampertaler sind vor den Schlossberglern der bedeutendste und größte Trachtenverein der Großen Kreisstadt. Ihr freistaatliches Selbstbewusstsein macht sich nicht nur optisch, sondern auch lautstärkemäßig bemerkbar. Charakteristisch für ihre historische Dachauer Tracht sind der schwarze, runde Hut, ein kurzer Janker, ein weißes Bauernhemd, eine lederne Stiefelhose, eine Samtweste und schwarze Faltenstiefel.

Weitaus jünger, aber nicht weniger geschichtsbewusster ist der Verein der Malweiber. Als Dachau zwischen 1885 und 1914 noch eine Künstlerkolonie war, wurden Frauen, die der Kunst frönen wollten, abschätzig so bezeichnet. Die Malweiber von heute würdigen jene von damals. Mit ihren kunstvoll drapierten Hüten und farbenfrohen Kleidern stechen sie schon von weitem ins Auge. Auf dem Umzug verteilen sie 500 Rosen, meist an Frauen und Kinder. "Wir sind emanzipiert", sagt Gründerin Nina Schiffner, ganz in rosa und mit schwarzen Handschuhen gekleidet.

An den Taschenkontrollen und den verschärften Sicherheitsvorkehrungen stört sich beim Auftakt des Volksfests keiner. "Die Leute verstehen das und finden es auch richtig", sagt OB Hartmann. Die Gefahr einer Bierdusche droht erst nächstes Jahr wieder.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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