Anonyme Geburt:Babyklappe abgelehnt

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Babyklappen, wie hier in Berlin, werden von Experten kritisch gesehen. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Kreisräte diskutieren über Angebote für Schwangere in Not.

Die Babyklappe soll schwangere Frauen davon überzeugen, ihr Kind nicht abzutreiben, sondern im Notfall besser anonym bei einem Krankenhaus abzugeben. Die kontroversen, bundesweiten Debatten über den Paragrafen 218 sind zwar längst vorüber, aber der Dachauer FDP-Kreisrat Jürgen Seidl forderte in einem Antrag den Kreistag auf, sich für ein solches Angebot am Dachauer Helios-Amperklinikum einzusetzen. Der Landkreis hält noch 5,1 Prozent der Anteile und ist mit Landrat Stefan Löwl (CSU) im Aufsichtsrat vertreten. Seidl verwies darauf, dass in Deutschland jährlich etwa 100 Kinder in Babyklappen abgegeben werden. Dazu kämen 20 Fälle pro Jahr, in denen ein Baby ausgesetzt oder getötet wird. Trotzdem lehnen Helios und der Jugendhilfeausschuss des Kreistags den Antrag ab.

Denn die Zahlen, die FDP-Kreisrat Seidl zur Begründung vorlegte, können auch anders gedeutet werden. Die Menschenrechtsorganisation Terre des Hommes hat nach einer Expertise des Kreisjugendamts sämtliche Statistiken für Deutschland ausgewertet und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass seit 2009, seit der gesetzlichen Zulassung der Babyklappe, nicht weniger Kinder ausgesetzt wurden als zuvor. Der Deutsche Ethikrat wiederum bezweifelt, dass Babyklappen meist tödlich verlaufende Aussetzungen verhindern. Das Augenmerk der Experten richtet sich auf die Frage, wie verhindert werden kann, dass Frauen, die sich für die Babyklappe entscheiden, ihr Kind unter hohem Risiko anonym zur Welt bringen müssen.

Seit fast zwei Jahren sind "vertrauliche Geburten" in Dachau möglich

Deshalb hat der Deutsche Bundestag 2014 ein Gesetz verabschiedet, das die "vertrauliche Geburt" zusichert. Dieses Modell bietet das Dachauer Klinikum seit fast zwei Jahren an. Es sieht vor, dass eine Schwangere einer Beraterin ihre Bedenken vorträgt, das Kind aufziehen zu können oder auch zu wollen. Die Schwangere kann am Klinikum ohne Preisgabe ihrer Identität ihr Kind zur Welt bringen, und sie kann auch den Vornamen des Kindes vor der Geburt bestimmen. Die Beraterin der Frau übermittelt schließlich die Daten der Geburt an das Bundesamt für Familie in Berlin. Dort kann das Kind nach 16 Jahren die Unterlagen einsehen und auch den Namen ihrer leiblichen Mutter erfahren.

Der Jugendhilfeausschuss ist ein Gremium des Kreistags, in dem nicht nur Mandatsträger beraten, sondern auch Vertreter sämtlicher Wohlfahrtsorganisationen, die im Landkreis tätig sind. Deren Meinung war bis auf die Position von Kreisrat Sebastian Leiß (Freie Wähler Dachau) einhellig. Sie alle halten die vertrauliche Geburt für die beste Lösung. Leiß dagegen sieht in der Babyklappe "keinen Riesenaufwand". Außerdem bezweifelte er, dass das Helios-Klinikum gemeinsam mit dem Landratsamt die Anonymität schwangerer Frauen tatsächlich gewährleisten kann. Man wisse doch, sagte er, "wie das so läuft in Dachau".

© SZ vom 02.03.2016 / we - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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