Dachau:Armut in unserer Mitte

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Die Tafel versorgt 1200 Menschen mit Lebensmitteln und braucht ein neues Fahrzeug

Von Petra Schafflik, Dachau

Der Duft von Brot und Gebäck liegt in der Luft, in Kisten hinter der langen Ausgabetheke stapeln sich Salat, Karotten, Orangen und Äpfel. "Vor allem frisches Obst und Gemüse sind ja recht teuer, hier ist alles sehr gut", erklärt eine dezent gekleidete Frau. Rasch lässt sie sich noch eine Tube Zahnpasta aushändigen, bevor sie mit schwer bepackten Taschen nach Hause geht. Ohne all die Lebensmittel, die sie wöchentlich gegen einen symbolischen Beitrag von einem Euro bei der Dachauer Tafel erhält, käme die Mutter von vier Kindern nicht über den Monat.

"Anfangs war es schwer für mich herzukommen", erzählt eine ältere Dame, die auch für Lebensmittel ansteht. "Aber mein Mann ist chronisch krank, die Hälfte der kleinen Rente geht für die Miete weg." Die Seniorin lobt nicht nur die "super" Qualität der kostenlosen Waren. Besonders froh ist sie über die freundliche Atmosphäre im Tafel-Laden. Dafür sorgt das Tafel-Team ganz bewusst: "Niemand fühlt sich hier diskriminiert", sagt dann auch eine Kundin. Das helfe den Menschen, die Hemmschwelle zu überwinden.

Armen Menschen aus dem Landkreis die Lebensmittel zukommen zu lassen, die im Handel nicht mehr verkauft werden - mit diesem Ziel engagieren sich 80 ehrenamtliche Helfer bei der Dachauer Tafel des Roten Kreuzes. Momentan werden mit über 400 Bezugsscheine rund 1200 Landkreisbürger versorgt. Damit Woche für Woche die Regale im Ausgabelokal in der Brunngartenstraße gut bestückt sind, ist ein enormer Einsatz nötig, 24 000 Stunden haben die ehrenamtlichen Helfer im vorigen Jahr gewerkelt. Viel Arbeit läuft im Hintergrund, "damit es unseren Kunden gut geht", wie Tafel-Koordinatorin Edda Drittenpreis es ausdrückt. Montag bis Mittwoch sind Fahrerteams mit zwei Transportern in der gesamten Region unterwegs, um die von Discountern und Bäckern bereit gestellten Produkte abzuholen. Alle Waren werden im Tafelladen kontrolliert, sortiert und für die Ausgabe vorbereitet. Vor allem Backwaren, Milchprodukte, Obst und Gemüse verschenken die Geschäfte. Doch Edda Drittenpreis ist auch in Kontakt mit Herstellern, die Überproduktionen und Waren mit Verpackungsschäden direkt abgeben. Oder reguläre Lebensmittel. Wie die Endstücke großer Leberkäse-Laibe. Sie sind qualitativ einwandfrei, aber trotzdem unverkäuflich, weil für den Supermarkt nur gleichmäßige Scheiben abgepackt werden können. "Früher wurden diese Produkte weggeschmissen", sagt Edda Drittenpreis.

Doch egal, ob kleiner Bäcker im Landkreis oder Lebensmittelfabrik in der weiteren Region, immer müssen die Waren von den Tafel-Helfern abgeholt werden. "Wir sind das reinste Logistikunternehmen", scherzt Edda Drittenpreis. Wichtige Basis des gesamten Hilfesystems sind aus diesem Grund die beiden Kühl-Transporter, mit denen die Fahrerteams jedes Jahr Tausende von Kilometern unterwegs sind. Benzin, Reifen, KFZ-Versicherung, Inspektion, Wartung, Reparaturen, TÜV - die Kosten dafür sind aufwendig und müssen gedeckt werden. Um die notwendigen Spendengelder dafür zu sammeln, engagieren sich die Tafel-Helfer noch zusätzlich über ihr eigentliches Ehrenamt hinaus. Flohmärkte werden organisiert, in der Adventszeit selbst gemachte Marmeladen oder handgestrickte Socken verkauft, um das Fahrzeug-Budget zu decken.

Nun aber stapeln sich die Werkstattrechnungen, einer der beiden Transporter muss durch ein neues Fahrzeug ersetzt werden. Um den Kaufpreis von 46 000 Euro aufzubringen, ist die Tafel dringend auf Spenden angewiesen, mit eigenen Aktionen können die Ehrenamtlichen diesen Betrag nicht zusammentragen. Der SZ-Adventskalender, der die Tafel seit Jahren unterstützt, wird einen Zuschuss für das neue Fahrzeug leisten.

© SZ vom 05.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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