Dachau:Arm in einer reichen Stadt

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Dachau denkt darüber nach, Menschen mit geringem Einkommen zu unterstützen. Sie sollen für Angebote der Kommune oder von Vereinen weniger zahlen. In anderen Landkreisen gibt es schon eine "Sozialcard".

Petra Schafflik

Ermäßigter Lesespaß: Schon jetzt zahlen einkommensschwache Bürger in der Dachauer Stadtbücherei niedrigere Ausleihgebühren. (Foto: DAH)

In einer wohlhabenden Stadt wie Dachau haben es arme Menschen schwer. Wo sich Nachbarn und Freunde vieles selbstverständlich leisten können, ist es umso härter, mit sehr wenig Geld auskommen zu müssen. Das Projekt "Bürgercard", das der Thementisch Familien-Soziales-Generationen-Bildung im Rahmen der integrativen Stadtentwicklung erarbeitet hat, will Dachauer mit geringem Einkommen unterstützen. Ziel ist die Ausgabe einer Karte, die armen Bürgern Zugang gibt zu speziellen Angeboten und Ermäßigungen.

In einigen Landkreisen und Städten gibt es bereits einen derartigen Service. Doch Dachau will das Vorhaben schrittweise angehen: Zunächst, das hat der Familien- und Sozialausschuss beschlossen, sollen Informationen über Vergünstigungen und auch Beratungsstellen von den Akteuren des Thementisches gesammelt und von der Stadt dann veröffentlicht werden. Wie es anschließend weitergehen kann in Richtung "Bürgercard", ist noch offen.

Schon der jetzt geplante Info-Flyer sei ein wichtiger Fortschritt, betonte Anke Drexler als Vertreterin des Thementischs "Soziales" im Ausschuss. "Denn das Angebot ist ein Dickicht." Freilich gebe es diverse Vergünstigungen, Zuschüsse, Ermäßigungen und kostenlose Angebote für Bürger mit niedrigem Einkommen. Auf Beispiele machten auch Stadträte in der Debatte aufmerksam. "Die Stadtbücherei kostet die Hälfte", sagte Familienreferentin Elisabeth Zimmermann (CSU). Der Eintritt in die städtischen Bäder sei mit zwei Euro konkurrenzlos günstig. "Es gibt vieles, was die Stadt schon leistet." Doch auch Grünen-Stadträtin Luise Krispenz ist wie Drexler überzeugt, "dass viele Betroffene von den Angeboten einfach nichts wissen". Deshalb, darüber war schnell Einigkeit erzielt, werden die am Thementisch mitwirkenden Wohlfahrtsverbände jetzt Daten über sämtliche Angebote für einkommensschwache Bürger zusammentragen, die Stadt wird dann einen Flyer produzieren und verteilen.

Allerdings wollen die Thementisch-Akteure einkommensschwache Bürger nicht nur informieren, sondern noch stärker unterstützen. Mit zusätzlichen Angeboten, aber auch dabei, die vorhandenen Leistungen einfacher abzurufen. Der Schlüssel dafür heißt "Bürgercard". Diese Karte sollen Dachauer bekommen, die Grundeinkommen, Arbeitslosengeld-II, Wohngeld oder Kindergeldzuschuss beziehen, außerdem Asylbewerber und Menschen, die Bundesfreiwilligendienst oder ein soziales Jahr leisten. In der Stadt könnten nach Erhebungen des Thementisches rund 1700 Bürger profitieren. Eine derartige Karte sei enorm wichtig, "damit Betroffene nicht jedes Mal einen Antrag stellen müssen", so Drexler. Ähnliche Ausweise gibt es bereits andernorts, zum Beispiel im Landkreis Erding. Dort erhalten Grundsicherungs- und Arbeitslosengeldempfänger die Karte, die "Sozialcard" heißt, automatisch samt einem Informations-Flyer mit ihrem Bescheid zugeschickt. Die Einführung vor zwei Jahren habe zügig geklappt, berichtet Caritas-Geschäftsführerin Barbara Gaab über das Kooperationsprojekt von Landkreis, Kreiskatholikenrat und Caritas. Von den Berechtigten werde die Karte ihrer Einschätzung nach auch genutzt. Schon ein wenig länger gibt es eine Sozialcard im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, wo Wohlfahrtsverbände und der Landkreis zusammenarbeiten. Rund 1000 Berechtigte besitzen dort eine Sozialcard. "Die kommt gut an", berichtet der Sozialamtsleiter im Landratsamt, Thomas Bigl. Kein Wunder, denn die Liste der Ermäßigungen und kostenlosen Leistungen bis hin zum MVV-Ticket ist in Bad Tölz äußerst umfangreich. Alle Anbieter, von den Gemeinden über Wohlfahrtsverbände, Vereine und einige Privatunternehmen zum Mitmachen zu bewegen, sei "aufwendig, aber nicht schwierig" gewesen, berichtet Bigl.

Ob auch in Dachau eine "Bürgercard" aufgelegt wird, blieb in der Debatte des Familien- und Sozialausschusses noch offen. Diskutiert wurde auch, wie das bestehende Angebot an Vergünstigungen ausgeweitet werden könnte. Gedacht ist etwa an die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, ermäßigte Tarife für Gesundheitskurse in einem Fitness-Studio oder Ermäßigungen im Kino und bei kulturellen Veranstaltungen.

Um mögliche Anbieter anzusprechen, setzen die Projekt-Initiatoren auf die Unterstützung der Stadträte. "Das kann nur über persönliche Kontakte geschehen", betonte Drexler. "Die Stadt sollte sich beschränken auf Dinge, die wir beeinflussen können", meinte Oberbürgermeister Peter Bürgel. Doch einige Stadträte können sich hier ein Engagement durchaus vorstellen. Hinterfragt wurde auch, ob die Stadt der richtige Träger einer "Bürgercard" sein kann. Denn bestehende Modelle wie die Beispiele in Erding und Bad Tölz laufen immer als Kooperation der Landkreise mit Wohlfahrtsverbänden. Fest steht nach der intensiven Beratung, dass in Dachau im ersten Schritt nur ein Informationsflyer kommt. Das Projekt "Bürgercard" wird nach ersten Erfahrungen den Familien- und Sozialausschuss erneut beschäftigen.

© SZ vom 11.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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