Dachau:Am Sandkasten führt kein Weg vorbei

Lesezeit: 3 min

Wie sehen Spielplätze in privaten Wohnanlagen aus? Bisher gibt es große Unterschiede. Die Stadt Dachau hat eine Satzung verabschiedet, an die sich Bauträger künftig halten müssen

Von Petra Schafflik, Dachau

Sommerzeit ist Spielplatzzeit. Denn auf der Straße mit den Freunden Ball spielen, sich auf verwilderten Arealen verstecken oder dort auf einen Baum kraxeln - diese Freiräume im Wohnumfeld, an die sich Erwachsene noch aus der eigenen Kindheit schwärmerisch erinnern, bleiben für Mädchen und Buben heute meist ein Wunschtraum. Die wertvollen Grundstücke in der Zuzugsregion München werden immer dichter bebaut, auf letzten Brachen entstehen Wohnsiedlungen. Umso wichtiger sind öffentliche Spielplätze, vor allem aber die vielen kleinen, privaten Spielflächen, die bei jedem größeren Mehrfamilienhaus Pflicht sind. Doch der Gestaltungsspielraum ist groß, manche Spielflächen erinnern an moderne Kunst, bei älteren Wohnanlagen bleibt oft nur mehr ein trister Sandkasten, in dem altes Laub verrottet.

Wunsch und Wirklichkeit passen oft nicht zusammen, wenn es um Spielplätze in Wohnanlagen geht. Die Bayerische Bauordnung ist zwar kinderfreundlich, schreibt schon seit vielen Jahren für alle Wohnanlagen mit mehr als drei Wohnungen vor, dass ein "ausreichend großer Kinderspielplatz" angelegt wird. Doch was ist ausreichend? Das steht nicht im Gesetz, doch die Rechtsprechung zu diesem Thema lege das Minimum bei 60 Quadratmetern fest, wie Michael Simon, Bauamtsleiter der Stadt Dachau, erläutert. Bei großen Wohnanlagen muss das für Kinder reservierte Areal entsprechend weitläufiger sein. Auch die Ausstattung ist nicht beliebig, Sandkasten, Bank und eines oder auch mehrere Geräte sind Pflicht. Natürlich soll der Spielplatz nicht auf einem kaum nutzbaren, schmalen Streifen neben den Autoparkplätzen liegen. Oder in einer dunklen Ecke neben den Mülltonnen. Doch Bauherren zu motivieren, attraktive und kindgerechte Flächen zu planen, ist nicht immer ein leichtes Unterfangen. "Qualitätsbewusste Investoren wissen, das gehört dazu", betont der Bauamtsleiter. Andere Bauträger wieder "sehen es nicht ein und installieren nur das Nötigste."

Einen Trend zu Edel-Spielflächen als Qualitätskriterium und Verkaufsargument bei neuen Wohnanlagen, über den die Wochenzeitung Die Welt Anfang des Jahres berichtet hat, kann Simon in Dachau bisher jedenfalls definitiv nicht feststellen. Um aber die Verhandlungen der Stadt mit Bauträgern einfacher zu gestalten, hat der Stadtrat jüngst eine Spielplatz-Satzung verabschiedet, die detaillierter ausfällt als das vage Baugesetz und klare Kriterien für Spielplätze in privaten Wohnanalgen vorschreibt. In der Satzung steht zum Beispiel, dass die Spielflächen geschützt liegen und eingegrünt werden sollen. Auch Schattenspender sind vorgeschrieben. Ob ein neuer Spielplatz alle Vorgaben erfüllt, wird auch überprüft. Denn sobald ein Neubauvorhaben bezugsfertig ist, kontrollieren die städtischen Mitarbeiter bei der Bauabnahme auch die Spielfläche, bestätigt Simon.

Was danach passiert, liegt in der Hand der Eigentümer. Flächen müssen zwar gepflegt, Geräte gewartet und bei Bedarf ersetzt werden. Doch ob dies geschieht, wird nicht überwacht. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht deutliche Unterschiede: Es gibt Hausbesitzer, für die ein ordentlicher, netter Spielplatz zum guten Erscheinungsbild ihrer Wohnanlage gehört. Anderswo ist von einer ehemaligen Spielfläche nicht mehr viel übrig geblieben. Gerade in Wohnanlagen, in denen die Kinder längst aus dem Haus sind und nur Senioren leben, werden defekte Spielgeräte schon mal demontiert statt erneuert. Bauamtsleiter Michael Simon hat dafür Verständnis, sofern die Spielfläche wieder hergerichtet wird, sobald Familien neu einziehen. Denn Mieter haben einen Anspruch, dass der Spielplatz unterhalten wird. In Eigentumswohnanlagen entscheidet dagegen die Gemeinschaft, ein einzelner Bewohner kann wenig ausrichten, wenn Geräte demontiert statt erneuert werden. Auch der Stadtrat hat erkannt, wie wichtig nicht nur die Errichtung, sondern besonders auch der kontinuierliche Unterhalt der privaten Spielplätze ist. Die städtische Satzung schreibt deshalb klar vor, dass die Flächen "dauernd zu erhalten und zu pflegen" sind. Schadhafte Ausstattung und Spielgeräte müssen hergerichtet oder erneuert werden, Sicherheitskontrollen sind vorgeschrieben. Wer einen Spielplatz auflösen will, braucht die Zustimmung der Stadt. Wer sich nicht an diese Vorgaben hält, dem droht ein Bußgeld von 500 000 Euro. Ob nun private Spielplätze tatsächlich intensiver gepflegt werden, bleibt abzuwarten.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Schaukel...

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

...ein Sandkasten...

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

...ein Klettergerüst.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Spielplätze in den Wohnanlagen an der Sillnerstraße, Am Rennplatz oder an der Fünfkirchner Straße sind nicht gerade opulent ausgestattet.

Bisher scheint es Streit und Debatten über den Zustand und die Ausstattung von privaten Spielplätzen in Dachauer Wohnanlagen nicht zu geben. "Das ist kein Thema", sagen Markus Riedl vom Hauseigentümerverband und Mietervereinsvorsitzender Wolfgang Winter übereinstimmend. Wenn überhaupt, monieren ältere Bewohner den Lärm der tobenden Kinder. Aber über marode Spielplätze werde weder von Mietern geklagt, noch von Eigentümern kontrovers diskutiert. Das liegt vermutlich nicht am hervorragenden Zustand aller privaten Spielflächen im Stadtgebiet. Sondern vielleicht auch daran, dass auf dem derzeit umkämpften Immobilienmarkt der Stadt die Ansprüche heruntergeschraubt werden. Angesichts dieser Situation ist kein Platz für Diskussionen um vermeintlich nebensächliche Sonderwünsche wie gute Spielplätze für Kinder.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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