"Clowns ohne Grenzen":Lachen in der Not

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Eine Reise um die Welt: Frau Runde (Julia Espenberger) ist zum Kringeln komisch. (Foto: Toni Heigl)

Der Verein "Clowns ohne Grenzen" heitert Kinder in den Flüchtlingslagern der Krisengebiete auf. Finanziert werden die Reisen durch Benefizveranstaltungen wie im Dachauer Thoma-Haus

Von Petra Neumaier, Dachau

Eigentlich war sie schon ein bisschen traurig, die Benefizveranstaltung der "Clowns ohne Grenzen". Nicht die Vorstellung an sich, die war zum Kringeln komisch. Vielmehr finden sich an dem vielleicht zu schönen Frühlingsnachmittag nur eine Handvoll Zuschauer im Saal des Ludwig-Thoma-Hauses ein, die "Frau Runde" auf der Reise um die Welt begleiten wollen - und dabei Näheres über das ehrenamtliche Engagement der Clowns, Artisten und darstellenden Künstler erfahren möchten, die in Krisengebieten Kinder und Erwachsene zum Lachen bringen.

Leere Stuhlreihen vor der Bühne und nur ein Dutzend Zuschauer, die zum Teil sogar noch Familienmitglieder, Freunde oder Helfer der Organisatoren sind: Julia Espenberger zieht ein trauriges Gesicht. Aber sie wäre kein professioneller Clown, wenn sie nicht im nächsten Moment wieder strahlen würde. "Macht nichts, ich spiel' trotzdem", sagt sie und lacht gut gelaunt.

Seit 2013 ist die Mutter von zwei kleinen Kindern mit der Organisation "Clowns ohne Grenzen Deutschland e.V." unterwegs. Ein- bis zweimal im Jahr spielt sie dann mit zwei Kollegen in entlegenen Gebieten, vor Flüchtlingskindern und in Auffanglagern und Notunterkünften. Egal, ob jene durch Kriege oder Naturkatastrophen entstanden sind. Jetzt, im August, hat die Münchnerin, die seit elf Jahren als Clown auftritt, eine eigene Reise organisiert: Am 8. August geht es für drei Wochen nach Kashmir Ladakh, das an Tibet und Indien grenzt. Hierhin flüchten sich derzeit Tibeter. Zum Teil werden nur die Kinder von ihren Eltern über die Grenze in die Flüchtlingslager geschickt. Julia Espenberger ist jetzt schon ganz aufgeregt. "Das wird spannend."

Die Künstlerin ist nur eine von insgesamt 50 in Deutschland, die sich seit 2007 für Kinder und Erwachsene ehrenamtlich engagiert, die aufgrund ihrer Lebensumstände wenig zu lachen haben. Herkunft, Alter, Religion, kulturelle und soziale Zugehörigkeit? Für den Verein keine Themen. Noch nicht einmal die Sprache: Die wichtigsten Worte ihres Reiselandes lernen die Clowns auswendig, der Rest wird pantomimisch dargestellt.

Alleiniges Ziel ist nicht nur, die Menschen zu unterhalten. Vielmehr tragen sie genauso zum Völker- und Kulturverständnis bei: Jede Reise wird von einem Fotografen dokumentiert, die Erlebnisse werden später zusammengefasst und vorgetragen. Und auch in den jeweiligen Ländern erzählen die Clowns über ihre Heimat und lernen aus Augenhöhe die Einwohner kennen. Susi Wimmer, stellvertretende Vorsitzender des Vereins, muss bei den Erinnerungen breit schmunzeln. "Es ist rührend, wenn uns die Kinder nach der Vorstellung unbedingt zeigen wollen, wo sie schlafen und essen und stolz das Wenige präsentieren, was sie besitzen", sagt sie.

Zwei bis drei Wochen sind die Clowns meist in einem Gebiet, führen hier in Kindergärten, Schulen und auf Marktplätzen ihre Künste vor. Außerdem geben sie Workshops: kleine Zaubertricks und Jonglagen. Finanziert werden die Reisen über Spenden, Mitglieder- und Benefizveranstaltungen. Wie jene in Dachau, bei der der Kasseninhalt allerdings sehr übersichtlich bleibt. Kein Grund für "Frau Rund" alias Julia Espenberger, ihre "Reise um die Welt" abzukürzen. Das kleine und große Publikum, das sie durchgehend in ihre Clownerien und Zaubereien miteinbezog, hat großes Vergnügen. "Über was gelacht wird, ist übrigens in allen Ländern identisch, aber in den Krisengebieten lachen die Kinder noch über einfache Dinge. Hier sind sie schon zu übersättigt", sagt "Frau Rund" dann. Vor allem Zaubertricks könnten ein deutsches Kind kaum beeindrucken. Doch auch in Nepal gibt es wohl Unterschiede zwischen Stadt und Land: "Straßenkinder sind total hin und weg und manchmal von den vielen Eindrücken total überfordert."

Susi Wimmer lächelt. Wenn sie jemand fragt, ob es denn was nütze, die Kinder in den Baracken für 45 Minuten aufzuheitern, erzählt sie immer von dem Helfer eines jordanischen Flüchtlingslager, der ihr erzählte. "Bevor ihr gekommen seid, spielten sie hier Krieg. Jetzt spielen die Kinder Clown."

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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