Chronik der Karlsfelder Griechen:Nikos Konstantakos blickt zurück

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Der Gründer der Griechischen Gemeinde in Karlsfeld schreibt an einer Chronik über die vergangenen 50 Jahre. Heute lebt er in der alten Heimat, doch er kann sich gut an das Leben als Gastarbeiter und seine Aktionen erinnern

Von Walter Gierlich, Karlsfeld

Gut fünfzig Jahre ist es her, dass die ersten griechischen Gastarbeiter, wie man die Arbeitsmigranten damals nannte, nach Karlsfeld kamen. Die Griechen stellen noch heute die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in der 22 000-Einwohner-Kommune. Nun will die Griechische Gemeinde eine Chronik über die Zeit in Karlsfeld verfassen. Und wer wüsste über die ersten Jahrzehnte besser Bescheid als ihr Gründer, der heute 78 Jahre alte Nikos Konstantakos, der allerdings nicht nur deswegen eigens nach Karlsfeld zurückgekommen ist. Vor allem kann er hier seine Tochter besuchen. Wie viele andere Gastarbeiter der ersten Generation ist er als Rentner in sein Heimatland zurückgekehrt und lebt nunmehr seit 17 Jahren mit seiner Frau Eva wieder in Griechenland. Die beiden feiern am 3. November Goldene Hochzeit, und dass ihnen Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe im Namen des Gemeinderats dazu gratulierte, hat Konstantakos überrascht und erfreut.

Nach dem Putsch 1967 kamen die Griechen zahlreich

Es waren viele Menschen aus dem armen Land im Süden Europas, die sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in Karlsfeld ansiedelten, um in den Großbetrieben MAN und MTU zu arbeiten oder um Schutz zu suchen, weil ihr Heimatland seit 1967 nach einem Putsch von einer Militärjunta diktatorisch regiert wurde. Diese ließ die politischen Gegner ins Gefängnis sperren und foltern. Die Griechen kamen so zahlreich, dass der Gemeinderat, in dem die SPD damals die absolute Mehrheit hatte, 1974 einen Zuzugsstopp für Nicht-EU-Ausländer erließ. Der Beschluss richtete sich hauptsächlich gegen die Griechen, deren Herkunftsland seinerzeit noch nicht der EU angehörte.

Griechen stellen die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Karlsfeld. (Foto: Toni Heigl)

Für Konstantakos war die Maßnahme, die deutschlandweit Schlagzeilen machte und einige Jahre später von der bayerischen Staatsregierung als rechtswidrig kassiert wurde, einer der Anstöße für sein vielfältiges Engagement. Damals war er in Deutschland das, was man heutzutage einen Aktivisten nennen würde. Er engagierte sich für seine Landsleute ebenso wie für seine Arbeitskollegen, und als in den Neunzigerjahren EU-Bürger endlich das kommunale Wahlrecht erhielten, wurden er und der Italiener Marino Gagliardi sogar als erste Ausländer auf der SPD-Liste in den Karlsfelder Gemeinderat gewählt.

"Komitees ausländischer Mitbürger"

Doch der Reihe nach: 1965 zog der gelernte Buchhändler als Gastarbeiter nach Deutschland und 1971 kam er nach Karlsfeld. Hier erlebte Konstantakos bald, wie hilflos viele seiner Landsleute und Gastarbeiter anderer Nationen der deutschen Bürokratie gegenüber standen. Oft der deutschen Sprache noch gar nicht mächtig, waren zu den Schwierigkeiten der Eingliederung auch Dinge wie Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu bewältigen. Konstantakos begleitete sie zu den Ämtern, half, Papiere auszufüllen, dolmetschte ihnen bei Arztbesuchen. Außerdem versuchte er, seine Landsleute und andere davon zu überzeugen, sich zusammenzuschließen, um Probleme auszutauschen und gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen. Auf der anderen Seite lag ihm daran, Einrichtungen für die Sorgen und Nöte von Ausländern zu sensibilisieren und auf die Notwendigkeit gezielter Hilfen aufmerksam zu machen. Mit Unterstützung der evangelischen Korneliuskirche gründete er in Karlsfeld eine Sozialberatung für Griechen, die später landkreisweit ausgedehnt wurde. Mehr als 25 Jahre sollte er dort nebenamtlich tätig sein. Nach dem Zuzugsstoppbeschluss gehörte er zu den Mitbegründern des von den Karlsfelder Jungsozialisten initiierten "Komitees ausländischer Mitbürger", aus dem nach dem Beitritt italienischer und türkischer Vereine der Verein "Internationales Haus" hervorging, der bis 2008 bestand und alljährlich Wochen der internationalen Begegnung in Karlsfeld organisierte.

Mitbegründer der Karlsfelder Volkshochschule

Nikos Konstantakos war auch Mitbegründer der Karlsfelder Volkshochschule, an der er unzählige Tages- und Wochendkurse für ausländische Bürger hielt. Er wurde Elternbeiratsvorsitzender der griechischen Schulen und später Ehrenvorsitzender des griechischen Elternverbands in Bayern. In der IG Metall engagierte er sich gewerkschaftlich stark: 1986 wurde er in den MAN- Betriebsrat gewählt, schon lange vorher war er Ersatzbetriebsrat und Vertrauensmann gewesen. Seit 1990 war er sogar freigestellter Betriebsrat. Doch zehn Jahre später zwangen ihn gesundheitliche Gründe kürzer zu treten und all seine Ämter niederzulegen, darunter auch das Gemeinderatsmandat, das er nur vier Jahre inne hatte. Der Entschluss sei ihm sehr, sehr schwer gefallen, sagte Konstantakos damals der SZ. Nur notgedrungen gebe er sein Mandat auf. "Wir haben so lange gekämpft, bis wir Wahlrecht bekommen haben. Und jetzt muss ich meine Wähler enttäuschen und vorzeitig gehen." Die Ärzte hätten ihm einhellig zu einem Klimawechsel geraten, und vor allem dazu, Stress zu vermeiden. "Wenn ich hier bleibe, wird sich nichts ändern", sagte er seinerzeit, als er mit viel Lob und großem Bedauern verabschiedet wurde.

Nikos Konstantakos und seine Frau Eva organisierten zahlreiche Straßenfeste in Karlsfeld. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nach 17 Jahren konnte er jetzt vor der Rückreise vom Besuch in seiner zweiten Heimat in die erste erfreut sagen: "Es geht mir gut - auch gesundheitlich."

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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