Bußgeldbescheid abgelehnt:"Kein Recht auf tatortnahe Kontrolle"

Lesezeit: 2 min

Mann fährt ohne Gurt Auto, die Polizei stellt ihn, inzwischen angeschnallt, erst im Nachbarort. Aber er muss dennoch zahlen

Von Anika Blatz, Dachau

Wer Auto fährt, ohne sich den Gurt anzulegen und dabei von der Polizei gesehen wird, muss mit einem Bußgeld rechnen, selbst wenn die Kontrolle später und erst in einem anderen Ort stattfindet und der Fahrer sich inzwischen angeschnallt hat. Das hätten wohl viele nicht gewusst - auch ein 59-jähriger Mann aus Altomünster, der die Frage vor Gericht klären lassen wollte. Er fuhr im Februar in Markt Indersdorf mit seinem Pkw an einer Metzgerei los und vergaß nach eigener Aussage, sich anzuschnallen. Dies habe er jedoch am Ortsausgang, Richtung Glonn fahrend, bemerkt und nachgeholt. Zwei Streifenpolizisten fiel der nicht gesicherte Kraftfahrer am Kreisverkehr in Markt Indersdorf auf, woraufhin sie diesen verfolgten. Erst mehrere Kilometer später - in der Ortsmitte von Glonn - wurde sodann eine Kontrolle durchgeführt. Die Polizeibeamten waren sich sicher, dass der Mann das Anschnallen absichtlich unterlassen hatte und verhängten daher ein Bußgeld von 60 Euro. Hinzu kamen 20 Euro für Gebühren und Auslagen. Das wollte sich der 59-Jährige nicht gefallen lassen. Er legte gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein. Mit teilweisem Erfolg.

In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Dachau versicherte der Mann, dass er den Gurt aus Versehen nicht angelegt habe. Darüber hinaus sei es nicht in Ordnung, dass die Polizisten ihn erst im Nachbarort stoppten, anstatt ihn sofort zur Rechenschaft zu ziehen. Der als Zeuge anwesende Polizeibeamte rechtfertigte das späte Eingreifen mit dem hohen Verkehrsaufkommen. Wegen des dichten Verkehrs habe der Fahrer erst in Glonn eingeholt und kontrolliert werden können. Dieser hätte zunächst überhaupt nicht reagiert. Erst durch das Blaulicht sei der Mann auf die Beamten aufmerksam geworden und habe angehalten.

"Wo sie angehalten wurden, ist komplett unerheblich, wenn der Tatbestand erfüllt ist", musste Richter Christian Calame den Einspruchsführer enttäuschen. Dass er zunächst nicht angeschnallt war, habe der Betroffene schließlich zugegeben und damit eingeräumt, die Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Es gebe kein Recht auf eine tatortnahe Kontrolle. "Man kann wegen Missachtung der Gurtpflicht überall von der Polizei angehalten werden. Die Beamten hätten auf die Kontrolle sogar gänzlich verzichten können", klärte er den Mann auf. Für die Ahndung der Ordnungswidrigkeit reiche es aus, wenn über das Kennzeichen der Fahrzeugführer ermittelt und dieser zu dem Vorwurf angehört werde. So könne man auch noch lange nach der Fahrt ohne Sicherheitsgurt einen Bußgeldbescheid bekommen und belangt werden. "Ein Bußgeld ist also in jedem Fall fällig", sagte der Richter. Fraglich sei nur, in welcher Höhe. Ein Bußgeld von 30 Euro würde er auch jederzeit akzeptieren, sagte daraufhin der Altomünsterer, nicht aber die 60 Euro, die überhaupt nur für eine vorsätzlich begangene Tat fällig würden.

Da weder der Zeuge eindeutig beweisen konnte, dass der Mann vorsätzlich handelte, noch der Richter irgendwelche Anhaltspunkte dafür finden konnte, dass der Fahrer sich absichtlich nicht anschnallte, kam es lediglich zu einer Verurteilung wegen Fahrlässigkeit. Das Bußgeld reduzierte sich damit um die Hälfte auf 30 Euro. Trotzdem muss der Mann die für den Bußgeldbescheid angefallenen 20 Euro sowie die gerichtlichen Verfahrenskosten, die sich auf ungefähr 50 Euro belaufen.

Finanziell gewonnen hat der Betroffene so zwar nichts, kann aber jetzt immerhin mit Fug und Recht von sich sagen, dass er niemand ist, der sich im Auto absichtlich nicht anschnallt.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: