Bundestagswahl:Lehrstunde

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Die Wünsche von Unternehmern des Landkreises an die drei Bundestagskandidaten von CSU, SPD und FDP münden in eine Politikerschelte: "Pfuscht uns nicht immer hinein." Eine Podiumsdiskussion der Industrie- und Handelskammer in Odelzhausen

Von Viktoria Großmann, Odelzhausen

Herr Haimerl ist unzufrieden. Der kaufmännische Werkleiter der Stadtwerke Dachau sieht, offenbar unter egal welcher Regierung, "die berechtigten Interessen der Arbeitgeber wie immer hinten runter fallen". Der Chef des Betriebs der Großen Kreisstadt ist auf Einladung der Industrie- und Handelskammer ins Schlossgut nach Odelzhausen gekommen, wo sich drei von insgesamt acht Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck den Unternehmern vorstellen. Eingeladen sind Katrin Staffler (CSU), Michael Schrodi (SPD) und Andreas Schwarzer (FDP). Die Grüne Beate Walter-Rosenheimer, die bereits im Bundestag sitzt, wird aus terminlichen Gründen entschuldigt. Die weiteren vier sind von der Linken, der AfD, den Freien Wählern und einer überparteilichen Liste. Sie wurden offenbar nicht angefragt.

Katrin Staffler, Bundestagskandidatin der CSU: "Wir brauchen ganz schnell einen Bürokratieabbau." (Foto: Niels P. Joergensen)

Die drei haben ja auch so genug zu reden. Was die mittelständischen Unternehmer wollen, ist schnell klar: weniger Gesetze, weniger Bürokratie, mehr Vertrauen in die Arbeitgeber. Zum Beispiel beim Rückkehrrecht in Vollzeit. Claudia Tauber, Geschäftsführerin des Dachauer Autozulieferbetriebs NAT, spricht allen anwesenden Unternehmern aus der Seele mit ihrer Frage: "Wozu braucht es ein Rückkehrrecht in die Vollzeit?" Ein solches Gesetz ist ein Herzensanliegen der SPD, die damit der sogenannten "Teilzeitfalle" begegnen will, aus der gerade Frauen oft nach Ende der Kindererziehungszeit nicht mehr herauskommen. Sie verdienen also oft lange Zeit ihres Berufslebens zu wenig Geld und erhalten später weniger Rente - im Zweifelsfall muss dann der Staat mit Sozialleistungen einspringen. Robert Haimerl, Chef von 170 Angestellten, moniert, Teilzeitstellen seien schwer zu besetzen und befristete eigentlich gar nicht, am Ende habe er durch so ein Gesetz zu viele Mitarbeiter. Er bezeichnet zudem das Mini-Job-Modell als "Fehlkonstruktion" und fordert gemeinsam mit Katharina Merk vom Odelzhausener Busunternehmen Merk ein Arbeitszeitkonto für Mini-Jobber. Im Sommer, erklärt Robert Haimerl, arbeiteten seine Bademeister nun einmal mehr als im Winter.

Michael Schrodi, SPD: "Wir müssen von der flächenfressenden Reihenhausbebauung wegkommen." (Foto: Niels P. Joergensen)

Ausgerechnet FDP-Mann Schwarzer, der sich zum liberalen Grundverständnis von so wenig wie möglich staatlicher Regulierung bekannt hatte, erklärt knapp: "Das würde Tür und Tor für Betrügereien öffnen." Das Problem sei rechtlich nicht zu lösen - da spricht eindeutig nicht das FDP-Mitglied, sondern der Jurist Schwarzer. Zudem bekennt sich Schwarzer zum Mindestlohn.

Katharina Merk und Andrea von Haniel, die in Haimhausen die E-Werke betreibt, erklären, Gesetze wie das zum Rückkehrrecht in Vollzeit brächten kleine Unternehmen mit etwa zehn Mitarbeitern an den Rand des Ruins. "Pfuscht uns nicht immer hinein", sagt Merk. Mit Haniel fordert sie, den Arbeitgebern zuzugestehen, sich selbst mit ihren Angestellten einigen zu können. Schrodi kontert: "Wenn das bisher gelungen wäre, dann gäbe es keine Notwendigkeit für ein Gesetz." In der Sache war sich die SPD mit der CDU/CSU in Berlin einig. Das Gesetz scheiterte letztlich an der Frage, ab welcher Betriebsgröße es gelten solle. Ganz die Unternehmerin spricht aus Haniel, als sie sagt, die Bildung müsse einen Beitrag leisten, Menschen dazu zu erziehen, für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen und nicht immer nach dem Staat zu rufen. Auch das eine Vorlage für Schrodi, der darauf hinweist, dass es schon oft genug große Unternehmen und Banken gewesen seien, die vom Staat gerettet werden wollten. Der Staat sei es auch, der den Unternehmen die nötige Infrastruktur zur Verfügung stelle: Straßen, Schienen, Internet. All das könne übrigens gut mit dem Martin Schulzschen Steuerkonzept bezahlt werden, wirbt Schrodi.

Andreas Schwarzer, FDP, bekennt sich parteiuntypisch zum Mindestlohn und fordert dichteres Bauen in Städten. (Foto: Niels P. Joergensen)

Nun darf CSU-Kandidatin Katrin Staffler energisch den Kopf schütteln. In Zeiten von Rekordsteuereinnahmen seien gewiss keine Steuererhöhungen, sondern eher Senkungen angezeigt - die SPD will den Spitzensteuersatz anheben und auch eine Reichensteuer einführen. Immerhin einem Dieselfahrverbot möchte Schrodi erst mal nicht zustimmen. "Das geht nicht von heute auf morgen, damit würde man eine Branche kaputt machen." Erst müsse eine tragfähige Alternative her.

Allen Parteien gleichermaßen wirft Bauunternehmer Werner Mooseder vor, die Vorschriften ständig zu vervielfachen. Staffler, die beim Thema Arbeitszeit und Mini-Jobs erklärt hatte: "Wir brauchen ganz schnell einen Bürokratieabbau", soll sagen, welche Baunormen sie abschaffen würde. Alle Vorschriften, die über Bord geworfen wurden, als es darum ging, schnell viele Flüchtlinge unterzubringen, sagt Staffler, sollten überprüft werden. Vielleicht könne man einige ganz und gar streichen. Schwarzer und Schrodi sind sich einig, dass dichter gebaut werden müsse. "Wir müssen von der flächenfressenden Reihenhausbebauung wegkommen", sagt Schrodi und verteidigt die Entscheidungsfreiheit der Kommunen. Denn Mooseder, der sich zuletzt häufiger über den Dachauer Stadtrat ärgerte, fordert, dass "manches auf höherer Ebene geregelt wird". Wie Merk findet auch er, dass die Politik zu wenig an die kleineren Unternehmer denkt. "Lasst bei euren Verordnungen auch mal die mitreden, die es ausführen müssen und nicht immer nur diejenigen, die die Produkte dafür herstellen."

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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