Bund Naturschutz:Freund und Feind

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Kaum ein anderes Tier polarisiert die Menschen so wie der Biber: Die einen schätzen seine Bedeutung für die Natur, andere ärgern sich über den Schaden, den er anrichten kann. Beraterin Barbara Karcher erzählt aus ihrem Alltag

Von Renate Zauscher, Dachau

Der Landkreis Dachau ist Biberland. Ob an der Glonn, der Amper oder der Maisach, in Ampermoching, Haimhausen oder in Biberbach, das den Biber bereits im Ortsnamen trägt: Überall ist der Biber seit rund zwanzig Jahren zu Hause. Zwischen 600 und 700 Exemplare sollen es mittlerweile sein, die im Landkreis leben - Tendenz steigend.

Im Gasthaus Drei Rosen in Dachau konnte man am Mittwochabend ein kapitales Biberexemplar bewundern: gut einen Meter groß, mit eindrucksvollem Gebiss und mächtiger "Kelle", dem schuppigen Ruderschwanz. Mitgebracht hatte das Tier Barbara Karcher, die bei einer Veranstaltung des Bundes Naturschutz (BN) von ihrem Alltag als eine von elf Biberberatern im Landkreis berichtete. "Der Biber - des einen Freud, des andern Leid", hatte sie ihren Vortrag genannt. Beides, die Freude Vieler und den Ärger manch Anderer über das Tier, kennt Karcher aus erster Hand. Als Biberberaterin bei der Naturschutzwacht und zertifizierte Waldpädagogin geht sie nicht nur mit Kindern und Erwachsenen in die Natur hinaus und erzählt mit ansteckender Begeisterung vom größten Nagetier in unseren Breiten, sondern hat oft auch mit Menschen zu tun, die den Biber und seine Machenschaften verwünschen. Und gelegentlich muss Karcher als Jägerin zum Gewehr greifen und den einen oder anderen Biber nach Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt "aus der Natur entnehmen".

22 000 Haare auf nur einem Quadratzentimeter

In Karchers Vortrag war zunächst nur von den erfreulichen Aspekten ihrer Arbeit die Rede. Davon etwa, wie wunderbar der Biber für sein Leben in und am Wasser ausgestattet ist mit seinem torpedo-förmigen Körper, seinen Schwimmhäuten an den Hinterfüßen und seinem als Ruder und Steuer eingesetzten Schwanz, die ihn im Wasser so agil und schnell machen wie manchen Fisch. Als "Fisch" galt er auch im Mittelalter, weshalb man meinte, ihn getrost als Fastenspeise verzehren zu können. Das hat zu seiner Ausrottung ebenso beigetragen, wie das unglaublich dichte, ehemals höchst begehrte Fell des Bibers, bei dem auf nur einem Quadratzentimeter 22 000 Haare wachsen - ein Rekord im Tierreich. An einen Fisch lässt schließlich auch die Fähigkeit des Bibers denken, bis zu fünf Minuten unter Wasser zu schwimmen oder sogar bis zu 25 Minuten bewegungslos abzutauchen.

Ein stattlicher Bursche mit kräftigen Nagezähnen: Biberberaterin Barbara Karcher präsentiert ein kapitales, präpariertes Exemplar. (Foto: Toni Heigl)

Einzelne Biber kennt Barbara Karcher sozusagen persönlich. Die schon ältere Biber-Mutter in Ampermoching beispielsweise mit bereits grauer Schnauze. Aus eigener Anschauung kann Karcher auch berichten, wie sozial die Tiere sind und wie hingebungsvoll sie sich um ihre Jungen, meist zwei bis drei pro Wurf, kümmern. Gerade dort, wo es um ganze Biberfamilien geht, kommt Barbara Karcher an ihre emotionalen Grenzen, wenn sie als Jägerin unterwegs ist. Ja, doch, Biber-Abschüsse müssten hin und wieder sein, sagt sie; im vergangenen Jahr seien 50 Tiere im Landkreis getötet worden. Abschüsse würden aber nur nach genauer Untersuchung des Einzelfalls von der Unteren Naturschutzbehörde genehmigt und nur dann, wenn im konkreten Fall Gefahr für Leib und Leben des Menschen ausgeht oder größere Wirtschaftsschäden verursacht worden sind. Ausgenommen sind immer Landschaftsschutz- und FFH-Gebiete: Hier würden, so Karcher, keine Abschüsse vorgenommen.

"Die Fallenjagd geht gar nicht"

Das eine oder andere Mal konnte Barbara Karcher ihren Abschuss-Auftrag einfach nicht ausführen. So etwa, als sie einmal aus einer Biberburg leises Wispern hörte, quasi ein "Gespräch" der Tiere untereinander. Schießen sei da einfach nicht möglich gewesen. Geradezu wütend wird Karcher, wenn ihr zugemutet wird, einen mit einer Lebendfalle gefangenen Biber zu töten: "Die Fallenjagd geht gar nicht", sagt sie sehr heftig, "ich weigere mich, das ist nicht tierschutzgerecht". Übrigens gebe es zahlreiche andere Jäger, die grundsätzlich auf keinen Biber schießen. Das treffe auf etwa 80 Prozent der Jägerschaft zu. Probleme zwischen Mensch und Biber entstehen vor allem durch den Damm- und Burgenbau des Tieres. Das sorgt zwar zum einen dafür, dass dort, wo man ihn ungehindert arbeiten lässt, Biotope mit großer Tier- und Pflanzenvielfalt entstehen. Zum anderen werden gelegentlich auch Felder und Straßen überflutet und Wirtschaftswege durch den Burgenbau im Uferbereich so unterminiert, dass für landwirtschaftliche Maschinen die Gefahr besteht, einzubrechen.

Durch den Bau von Dämmen, wie an der alten Kläranlage in Pasenbach, schaffen Biber Biotope für Tiere und Pflanzen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Viel zur Entschärfung des Konfliktpotenzials hat das Biber-Management im Landkreis beigetragen. Elf Biberberater vermitteln in schwierigen Fällen, begutachten Schäden und sorgen für Entschädigungszahlungen. Das habe, sagt Karcher, wesentlich zur Akzeptanz des Bibers beigetragen - auch dort, wo er als "Landgänger" unterwegs ist, sich an Mais oder Zuckerrüben gütlich tut und den einen oder anderen Baum fällt, um im Winter über die Runden zu kommen. Karchers Rat: den gefällten Baum liegen lassen, der Biber sucht sonst einen Ersatz. Als Präventivmaßnahme empfiehlt sie ein Einstreichmittel für junge Bäume und das Umwickeln dickerer Stämme mit Maschendraht. Der Abschuss dürfe nur das allerletzte Mittel sein.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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