Bürgerversammlung Altomünster:Angst vor dem Verkehrskollaps

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Zwei Neubausiedlungen und das stetig wachsende Pkw-Aufkommen in Altomünsters Straßen erzürnt die Gemüter der Anwohner. So kommt es in der Bürgerversammlung zu einer heftigen Debatte

Von Horst Kramer, Altomünster

In Altomünster geht die Angst vor dem Verkehrskollaps um. Rund 120 Bürger haben am Donnerstagabend mit Rathauschef Anton Kerle (CSU) über den ständig zunehmenden Verkehr und die Entwicklung des Ortes diskutiert. Der öffentliche Nahverkehr war allerdings nicht Thema in der Debatte. Anlass waren Zahlen, die Kerle (CSU) in der Bürgerversammlung nannte und die sehr deutlich einen Teil der Probleme der Kommune beschreiben: "Im Jahre 1972 nutzte ein Bürger im Schnitt rund 24 Quadratmeter Wohnraum, heutzutage sind es 48 Quadratmeter", sagte er.

Altomünster wächst, wie viele andere Gemeinden im Landkreis auch. Allerdings dehnt sich der Ort vor allem in der Fläche aus, die Zahl der Einwohner steigt indes nicht in gleichem Maße. Dazu eine weitere Zahl: Im Oktober 2017 lebten im Hauptort 3814 Menschen, heuer nur noch 3796 (während die Gesamtgemeinde um 28 Einwohner auf 8011 zunahm). Eine dritte Zahl ließ Kerle diesmal weg: Der Zuwachs an Pkw, deren Zahl sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten in Altomünster fast verdreifacht hat. Die Folge: Immer mehr Autos fahren nach Altomünster oder queren den Ort.

Das erklärt, warum rund 120 Altomünsterer knapp vier Stunden mit ihrem Bürgermeister über eigentlich immer dasselbe Thema diskutierten: den zunehmenden Verkehr mit all seinen Auswirkungen: Lärm sowohl tagsüber, als auch Nachts und die Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer, vor allem Schulkinder.

Dass heuer so viele wie noch nie zur Bürgerversammlung kamen, hat mit zwei Neubaugebieten zu tun: Am Vogelgarten, östlich des Klosters, und am Sandgrubenfeld, westlich des Gewerbegebiets. Die Anwohner befürchten deshalb einen Verkehrskollaps. Markus Zieglwallner formulierte es so: "Die Infrastruktur im Ortskern gibt keine großen Verdichtungsmaßnahmen her."

Alto Weigl befürchtet wiederum die Überlastung der Straßen um das Sandgrubenfeld herum, weil dort 40 neue Wohnungen entstehen. Nicht zuletzt, wegen des ständig wachsenden Lieferantenverkehrs.

Die im Sommer hitzig geführte Diskussion um die Vogelgartenbebauung durch die Volksbank Raiffeisenbank Dachau ruht zurzeit. Die Bank lässt gerade einen neuen Bebauungsplanvorschlag erarbeiten. Am Sandgrubenfeld geht die Auseinandersetzung jetzt erst los. Weigl kündigte an, in der kommenden Woche eine Unterschriftenliste sowie "konstruktive Vorschläge" für die Verkehrsproblematik im Rathaus abgeben zu wollen. Kerle kennt wohl schon einige der Ideen, denn er retournierte umgehend: "Für eine Anschließung des Wohngebiets Richtung Schauerschorn (ein Weiler im Westen Altomünsters - d. Red) sehe ich keine Chance." Zum einen erfolge eine Erschließung von neuen Siedlungen immer in Richtung Ortsmitte und nie nach Außen, außerdem würde die 500 Meter lange Verbindungsstraße mitten durch landwirtschaftliche Flächen führen - "die uns nicht gehören", begründete Kerle seine Ablehnung.

Doch nicht nur der Anliegerverkehr, sondern auch der Durchgangsverkehr bereitet den Einwohnern Altomünsters Sorgen. Peter Erhorn mahnte wie vor zwölf Monaten ein Lärmgutachten und eine Tempo-30-Zone für die Stumpfenbacher Straße an. Geschwindigkeitsbegrenzungen und -messungen sowie zusätzliche Zebrastreifen wurden auch für die Pipinsrieder Straße, die Nerbstraße und die Aichacher Straße gefordert, dazu Parkverbotskontrollen in der Kirchenstraße. Kerle versprach, sich in allen Fällen mit den Dachauer Verkehrspolizei abzustimmen. Er schränkte indes gleich ein: "Wir stellen bei unseren Messungen oft fest, dass die Zahl der Geschwindigkeitsübertretungen deutlich geringer ist, als die Anwohner meinen."

Mehrere der Anwesenden regten ein Bürgerbeteiligungsverfahren an - allen voran Markus Zieglwallner und Alto Weigl, aber auch Klaus Diederichs. Letzterer griff den Rathauschef sogar frontal an: "In Altomünster scheint nicht der Bürgerwille zu gelten, sondern nur der Bürgermeisterwille", ärgerte sich Diederichs. Die Mehrheit des Publikums sieht das wohl anders - so ließen sich zumindest die verbalen Reaktion deuten, die Diederichs zu hören bekam. Einige wenige nickten aber auch zustimmend. Kerle ließ den Vorwurf an sich abprallen. Er verwies auf andere Kritiker, die ihm vorwerfen würden, zu oft dem Willen der Verwaltung zu folgen.

Überhaupt hat der Rathauschef in den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit eine bemerkenswerte Konfliktroutine entwickelt. Er selbst fasste seine Grundhaltung in einem Nebensatz seines einleitenden rund 70-minütigen Vortrags zur Lage Altomünsters so zusammen: "Man muss hartnäckig bleiben oder auch mal etwas aussitzen können." Trotz großer Angst vor dem Verkehrschaos fiel bemerkenswerterweise in der fast drei Stunden dauernden Versammlung kein einziges Mal der Terminus "ÖPNV".

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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