"Boxhead" in der Kulturschranne:Fast wie damals in Tokio

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Deep Purple, Led Zeppelin oder die Doors lassen grüßen: Die Musiker der Dachauer Band Boxhead erweisen sich in der Kulturschranne als virtuose Epigonen großer Rockbands.

Von Pia Lehnfeld

Wenn man für einen Moment die Augen schließt, dann kommt es einem vor, als wäre man live dabei, damals in Japan 1972. Dann hört es sich beinahe so an, als stünden die großen Meister Ian Paice, Ritchie Blackmore und Co auf der Bühne. Erst wenn man die Augen wieder öffnet, dämmert es einem schnell, dass nicht Deep Purple auf der Bühne spielt, sondern die Dachauer Band Boxhead. Also ist man auch nicht in Tokio und jubelt mit Tausenden anderer Fans der legendären englischen Rockband zu, sondern findet sich stattdessen in der Dachauer Kulturschranne wieder.

Die fünfköpfige Band Boxhead, die ihre Historie als Schulband am Effner-Gymnasium in Dachau begann, überzeugte am Samstagabend mit technisch versiertem Spiel und einer Reise durch die Musikgeschichte der 60er und 70er Jahre. The Who, Uriah Heep, Led Zeppelin, The Doors und - natürlich - Jimi Hendrix: Dem Rockfan hüpfte an diesem Abend das Herz vor Freude. Und kann die heutige junge Generation zu Recht beklagen, Musiker dieses Formats zumindest zu ihren populärsten Zeiten (es touren ja noch immer manche von ihnen wie jüngst Pink-Floyd-Bassist Roger Waters) niemals live erlebt zu haben, so ist Boxhead eine Entschädigung allererster Güte für all diejenigen, denen dieser musikalische Hochgenuss verwehrt blieb.

Deep Purple bleibt jedoch das Steckenpferd von Boxhead, allein, weil ihre Besetzung aus Gesang (Mikey Wenzel), Gitarre (Florian Ebner), Bass (Martin Treppesch), Orgel (Andreas Pernpeintner) und Schlagzeuger (Jan van Meerendonk) exakt mit der Deep-Purple-Besetzung übereinstimmt. Die Integration der Orgel in die Songs von Led Zeppelin - im Original ohne Hammond-Orgel - gelingt einwandfrei. Speziell bei Since I've been loving you ist eine Gänsehaut unvermeidlich. Auch Kashmir, vielleicht einer der prägnantesten Led-Zeppelin-Stücke, geht reibungslos über die Bühne. Zumal die Dachauer Hobby-Rocker, die privat allesamt anderen Berufen nachgehen, eine erstaunliche Ausdauer an den Tag legen und sich nicht scheuten, der Originallänge einiger Stücke von gut zehn Minuten gerecht zu werden und diese nahezu vollständig zu vertonen.

Der in diesem Jahr verstorbene Doors-Organist Ray Manzarek hätte an Love me two times nichts aussetzen können, Andi Pernpeintners virtuos anmutendes Orgenspiel traf bei Doors-Fans voll ins Schwarze. Einzig Jim Morrisons unverkennbare Stimme nachzuahmen ist vielleicht ähnlich unmöglich wie Hendrix' Voodoo Child. Doch ist dies Meckern auf allerhöchstem Niveau, insbesondere weil Sänger Wenzel sowohl Robert Plant als auch Ian Gillan hervorragend imitierte.

Ein Kraftakt war der fast dreistündige Auftritt mit Sicherheit. Alle fünf spielten mit Hingabe und einer Intensität, die vom Anstrengungsgrad an einen Marathon erinnerte. Vor allem Gitarrist Ebner hatte sichtlich Vergnügen an seinem Bühnenauftritt und legte eine Show hin, als würde er nie etwas anderes machen. Auch wenn die Instrumente der fünf Rocker offensichtlich einiges aushalten mussten, heil blieben sie am Ende alle - soweit wollten die fünf Dachauer ihre Idole wohl doch nicht nachahmen, bei denen die Instrumentzerstörung einst irgendwie zum guten Ton unter Rockern gehörte.

Eine Band wie Boxhead muss einen Saal zum Kochen bringen, denn einem Rockfan muss bei einem solchen Auftritt spüren, was für ein Niveau er zu hören bekommt. Einige in der Schranne haben dies auch bemerkt, groovten zum Takt und dankten es der Band mit tosendem Applaus. Einige andere jedoch blickten eher teilnahmslos und fast gelangweilt in die Runde. Das ist eigentlich ein Unding und wird der Leistung von Boxhead nicht gerecht. Es ist am Ende eben doch nicht Made in Japan.

© SZ vom 25.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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